Erinnern wir uns mal an die Zeit, als es den Begriff Schweinegrippe noch nicht gab. Kurz vor der Abfahrt stürzten wir uns zum Beispiel in eine volle S-Bahn oder einen Bus. Manchmal fielen wir sogar atemlos japsend dicht gedrängt stehenden Fahrgästen in die Arme.

Heute versuchen wir, körperliche Nähe zu anderen in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Womöglich lassen wir eine zu volle Bahn ohne uns abfahren. Hustet oder niest jemand neben uns, möchten wir sofort die Flucht ergreifen. Oder wir halten unwillkürlich den Atem an, als ob wir damit die Viren-Invasion verhindern könnten. Plötzlich wird uns bewusst, dass jeder kleinste Handgriff zur Gefahr werden könnte. Wir versuchen, Türen mit der Schulter zu öffnen, indem wir uns dagegen stemmen. Knöpfe an Ampeln und in Aufzügen drücken wir mit dem bekleideten Ellenbogen. Das Wechselgeld an der Supermarktkasse würden wir am liebsten liegen lassen.

Erschrocken fällt uns ein, wie oft wir uns heute schon gedankenlos dem Infektions-Risiko ausgesetzt haben. Wir haben für jemanden die Tür aufgehalten, einem Bekannten spontan die Hand geschüttelt, am Kaffee-Automaten im Büro mit dem Finger auf den Knopf gedrückt, uns im Bus am Haltegriff festgehalten, als er abrupt bremste - oh, oh! Wie oft kratzten wir uns am Kinn, fassten uns an die Nase oder wischten Krümel am Mundwinkel weg, ohne die Hände gewaschen oder desinfiziert zu haben? Keine Nachlässigkeiten mehr! Wir haben den Verteidigungsnotstand des Körpers gegen die Viren ausgerufen.