Wer die Exponate im Klassenraum anschauen will, muss erst einmal einen Einreiseantrag ausfüllen.

Neu Wulmstorf. Die Nationalhymne der DDR können Alex Miller und Sascha Wolkenhauer schon mitsingen. In den letzten drei Tagen haben die beiden Schüler der Schule Vossbarg in Neu Wulmstorf sie bereits mehrere Dutzend Mal gehört - am Grenzübergang in die DDR gehört das eben fest zum Programm. Und in ihren grünbraunen Uniformen sehen die jungen Männer an der Passkontrolle wirklich so aus, als wären sie aus der Vergangenheit angereist. "Wer unsere Ausstellung besuchen will, der muss einen Einreiseantrag ausfüllen, genauso, wie es eben früher in der DDR war", erklärt der 16 Jahre alte Sascha. "Denn nur, wenn man seine Identität komplett offen gelegt hat, durfte man die Grenze überschreiten."

In einer großen Ausstellung haben Schüler des Wahlpflichtkurses Geschichte der Neu Wulmstorfer Schule den Alltag in der DDR zum Leben erweckt - passend zum Jubiläum des Mauerfalls vor 20 Jahren. Dem ehemalige Geschichtslehrer Claus Hestermann war es gelungen, viele Gebrauchsgegenstände, Fahnen, Uniformen, ja sogar einen alten Trabi für die Ausstellung zu organisieren. Gemeinsam mit den Schülern seines Kurses hatte er die Gegenstände in mehreren Räumen für die Schüler umliegender Schulen und andere Besucher ansprechend präsentiert.

"Wir haben sogar einen Raum so eingerichtet, wie unserer Meinung nach ein typisches Wohnzimmer in der DDR ausgesehen hat", so Nico Karger. Typisches Geschirr und Besteck liegt auf dem Wohnzimmertisch, ein nostalgisch wirkender Fernseher steht an der Wand, über ihm ein Bild von Wilhelm Pieck, dem ersten und einzigen Präsidenten der DDR. "Das ganze erscheint auf den ersten Blick sehr idyllisch, aber wenn man sich überlegt, dass alle Menschen komplett überwacht werden konnten, dann ist das ziemlich bedrückend", sagt Sascha Wolkenhauer. "Für jede Kleinigkeit konnte man in den Knast wandern - da ist es eigentlich nicht angebracht, dass man die DDR in Filmen oder in Witzen verherrlicht", pflichtet ihm Nico Karger bei.

DDR hautnah erleben - mit dem Blättern in Stasi-Akten und dem Anprobieren unterschiedlicher Uniformen von Grenzposten, Bodenwehr und Luftwaffe war das ohne Probleme möglich. Hinzu kommen die interessanten Führungen von Claus Hestermann, der, anders als die Schüler, die DDR selbst kennen gelernt hat. Der Lehrer ist überzeugt davon, dass mit dieser Form des Geschichtsunterrichts den Schülern die DDR so besser vermittelt werden kann als nur aus Geschichtsbüchern. Bereits vor zwei Jahren hatte er eine ähnliche Ausstellung zum Dritten Reich organisiert.

Für die Schülerin Sabrina Deckmann hat die Ausstellung in ihrer Schule eine ganz besondere Bedeutung. Ihre Familie stammt aus Mecklenburg-Vorpommern, sie ist als einzige Tochter nach der Wende in der Bundesrepublik geboren. "Meine Eltern sind in der DDR aufgewachsen und erzählen dementsprechend auch positive Dinge aus ihrer Jugend", sagt die 17-Jährige. "Aber meine Oma und mein Opa sprechen schon sehr kritisch über die DDR." Ein Grund mehr für Sabrina, sich zu engagieren und den Alltag in der DDR zu Lehrzwecken zum Leben zu erwecken.