Kunsthistorikern Ute Ina Gawenda gibt Sammlern und Ratsuchenden praktische Tipps mit auf den Weg.

Jesteburg. Susanne Gaßmann (46) und Ehemann Uwe (49) aus Buchholz sind schon Stammgäste bei der Antiquitätensprechstunde in der Kunststätte Bossard. Diesmal haben sie eine Vase aus farbigem Glas mitgebracht. "Wie alt, woher, und wie wertvoll?" - Das sind die Fragen, die Ute Ina Gawenda während ihrer Sprechstunden in der Kunststätte Bossard von den Besuchern meistens gestellt bekommt. Alte Sachen sind "in", Antiquitäten erleben gegenwärtig einen "großen Boom", weiß die 48 Jahre alte Kunsthistorikerin aus Jesteburg.

Ob Silberschalen, Porzellantassen oder Glaskelche, jeder der zwölf Besucher hat eigene Schätze mitgebracht, zum Teil sind es Erbstücke aus dem Familienbesitz, zum Teil vermeintliche Schnäppchen aus dem Internet. Jedes Stück hat seine eigene Geschichte, sagt Ute Ina Gawenda. Wer sammeln möchte, sollte das eigene Herz sprechen lassen und nicht nur auf den Wert schauen.

Sichtlich am Herzen liegt Gerhard Kapell die Kupferschale aus dem Orient mit den geheimnisvollen, in den Rand eingeritzten Schriftzeichen. Der 89 Jahre alte Jesteburger kaufte die Schale "vor 40 Jahren auf einem Basar in Istanbul für 15 Mark". Die Schale sei mehrere tausend Jahre alt, die antiken Schriftzeichen könnten altphönizisch sein, vermutet er. Kunsthistorikerin Gawenda hält das Stück eher für eine neuzeitliche Kopie.

Jahrzehnte im Familienbesitz überstanden haben dagegen die Erbstücke aus Porzellan, die eine Teilnehmerin mitgebracht hat. Erworben hat sie ihr Großvater, der nach dem ersten Weltkrieg als Gerichtsvollzieher tätig war: "Manchmal taten ihm die Leute leid, da hat er ihnen etwas abgekauft, damit sie ihre Schulden bezahlen konnten."

Auch wenn manch altes Stück heute auf dem Sammlermarkt keine großen Summen erziele, so sei der ideelle Wert doch "unschätzbar", erklärt Ute Ina Gawenda. Waltraud Rosenow aus Winsen sieht es genauso: "Ich finde es egal, ob es wertvoll ist oder nicht. Hauptsache, es gefällt mir." Die 67-Jährige stammt aus Dresden, in den Kriegs- und Nachkriegswirren gingen alte Familienstücke verloren. Klar, dass sie sich heute auf das Sammelgebiet Porzellan aus Dresdner Herstellung spezialisiert hat. Und da tut es auch nicht allzu weh, wenn Expertin Gawenda den Wert der mitgebrachten Stücke eher niedrig einschätzt und angesichts zweier Porzellanfiguren aus dem 20. Jahrhundert empfiehlt: "Warten Sie 200 Jahre, das sind die Antiquitäten von morgen."

Praktische Empfehlungen gibt die Kunsthistorikerin den Gästen auch mit auf den Weg: Silber bitte nie mit einer Zahnbürste reinigen, immer nur das sammeln, was einem selbst gefällt, und auf den Zustand achten: Gebrauchsspuren sind erlaubt, Beschädigungen drücken den Wert dagegen erheblich.

"Wie alt, woher, und wie wertvoll?" Antworten auf diese Fragen bekommen auch die Stammgäste aus Buchholz. Ihre Vase stammt etwa aus den 1960-er Jahren, wurde von einem Künstler vermutlich in Böhmen hergestellt und dürfte zwischen 500 und 600 Euro erzielen. Ein schönes Schnäppchen also, schließlich haben Susanne und Uwe Gaßmann die Vase bei Ebay ersteigert - für gerade mal 47 Euro.

Auch Gerhard Kapell verlässt die Sprechstunde mit einem Lächeln: Der 89-Jährige lässt sich nicht entmutigen, er will seine Kupferschale nun von Experten für Orientalistik im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe begutachten lassen.