Die Hamburger Fotografin Eibe Krebs hat auf dem fünften Kontinent nach Spuren ihrer und anderer deutscher Familien gesucht.

Veddel. Die Großmutter von Eibe Maleen Krebs hat drei Brüder. "Meine Großonkel sind alle nach Australien ausgewandert", sagt die Hamburger Fotografin (27). So kam Eibe Krebs nach dem Abitur auf eine Idee: Auf ging es mit dem Rucksack nach "Down under", nach Australien. "Dort habe ich viele deutsche Auswanderer kennengelernt."

Sechs Jahre später musste Eibe Krebs ihre Diplomarbeit an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Institut für Design, anfertigen. Da zog es sie wieder nach Australien, mit Fotoapparat, Stativ und Kamera. Zurück kam sie mit Hunderten Bildern und vielen Stunden Filmmaterial. Daraus ist jetzt eine kleine, aber feine Ausstellung geworden, die bis zum 15. Januar im Ballinstadt Auswanderermuseum auf der Veddel, unweit des S-Bahnhofs, zu sehen ist: "Auswandern nach Down Under".

Zu sehen sind Bilder von deutschen Auswanderern, die in den 50er- und 60er- Jahren des vorigen Jahrhunderts nach Australien ausgewandert sind. Flankiert wird die Ausstellung mit Informationen, Fotos und Dokumenten zur deutschen Auswanderung nach Australien im 19. und 20. Jahrhundert sowie durch Eibe Krebs' Dokumentarfilm "Looking Forward Looking Back", der auch schon im "Magazin-Filmkunsttheater" zu sehen war.

Dreieinhalb Monate ist Eibe Krebs mit einem Leihwagen durch den fünften Kontinent gefahren. Von Hamburg aus hatte sie deutsche Auswanderer angerufen, "ob ich mal vorbeikommen kann" - die meisten waren für sie wildfremde Menschen. Auch vor Ort hatte sie ihr Großonkel Erich Reuter in Melbourne noch mit Telefonnummern versorgt. Schließlich besuchte die Eppendorferin 25 Familien, blieb bei ihnen vier, fünf Tage und redete mit ihnen über Gott und die Welt.

"Die Gastfreundschaft und die Nächstenliebe in Australien waren faszinierend", sagt Eibe Krebs. "Die deutschen Auswanderer haben mich aufgenommen, als ob ich mit zur Familie gehöre."

Die Menschen, die Eibe Krebs zeigt, sind alle in Deutschland geboren. Viele von ihnen sahen in Deutschland keine Zukunft mehr und erhofften sich ein besseres Leben. Andere waren Vertriebene, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Ostpreußen, Schlesien oder im Sudetenland gelebt hatten und fliehen mussten. "Alle deutschen Auswanderer haben mir gesagt, dass sie in Deutschland die Freiheit vermissen würden", sagt Eibe Krebs. "Sie lieben es, in die Natur zu fahren und dort die einzigen Menschen zu sein. Deutschland ist für sie zu beengend und voller Regeln."

Fast alle Menschen, die Eibe Krebs besucht hat, sehen sich "Kommissar Rex" an und morgens die deutschen Nachrichten. Viele treffen sich regelmäßig zum Skatspielen, vorher serviert der Gastgeber so typisch deutsche Gerichte wie Grünkohl mit Pinkel oder Rouladen mit Rotkohl und selbst gemachten Knödel. Sie trinken gerne selbst angebauten Wein oder selbst gebrautes Bier.

"Die Auswanderer feiern wie wir in Deutschland Weihnachten am Abend des 24. Dezember", sagt Eibe Krebs. "Ostern bemalen sie Eier und dekorieren Ostersträucher. Trotzdem fühlen sie sich australisch und haben über die Jahre einen australischen Lebensstil angenommen. Die Menschen, die ich in meinen Bildern zeige, haben ihre Wurzeln nie vergessen. Sie füttern ihr Umfeld in Australien mit konservierten Erinnerungen an eine ferne Kindheit und Jugend. Diese Erinnerungen haben Jahrzehnte unbeschadet und ein wenig idealisiert in den Herzen ihrer Träger überdauert. Das Gute ist geblieben und das Schlechte ist verschwunden - ein liebenswertes und zugleich etwas verschrobenes Deutschlandbild."

Heimelige Wohnstube mit Ölschinken an den Wänden und strickenden Damen in gemütlichen Sesseln, Wiesen mit friedlich grasenden Kühen, bewaldete Mittelgebirge, Dünenlandschaft am Strand: Viele Bilder von Eibe Krebs könnten auch im Schwarzwald oder an der Nordsee entstanden sein - wenn da nicht ein paar Ausreißer wären: ein weißer Kakadu auf einer Tanne oder ein Pferd im Wald vor einem weißen Oldtimer samt Kakteen im Vordergrund.

Mehr als 1,3 Millionen Australier haben wenigstens einen deutschen Vorfahren. Damit ist der demografische Einfluss aus Deutschland größer als der aller anderen Einwanderergruppen außer der britischen und irischen. Um 1850 herum und nach dem Zweiten Weltkrieg gab es die beiden größten Auswanderungswellen aus Deutschland.