Der Berliner Matthias Einhoff wird am Sonntag die Einmarschzeremonie filmen.

Harburg. Es war in der Sommerhitze im Juli, als Matthias Einhoff in Flip Flops mit Fahrrad und Handy das erste Mal nach Harburg reiste. Wir sitzen im Café in der Lüneburger Straße. Einhoff wippt mit den nackten Füßen und erzählt: "Das erste, was ich von Harburg sah, war eine Broschüre vom Bezirksamt, da wirkte in Harburg alles so aufgeräumt und übersichtlich." Überrascht sei er gewesen, dass Harburg real dann viel kosmopoliter wirkte. "Mit viel künstlerischem Potenzial. Spannend, lebendig und nicht sofort zu überschauen." Das Handy klingelt: Jemand vom Schützenverein ist dran. Die Vereine, das sind bei Einhoff die eigentlichen Stars, sein künstlerisches Ausdrucksmittel.

Am kommenden Sonntag um 15 Uhr, der Herbst steht mittlerweile vor der Tür, hat Einhoff auf dem Harburger Wochenmarkt "Sand" eine große Zeremonie mit gemeinnützigen Vereinen vor. Die örtlichen Vereine werden sich dort präsentieren und Einhoff das im Stile olympischer Eröffnungszeremonien filmen. Doch vor diesen Augenblick kam der Schweiß: Einhoff, der alle Wege in Harburg mit dem Fahrrad zurückgelegt hat, musste den Vereinen erst einmal ziemlich viel erklären. Drei Dinge wolle er von ihnen: Ein Lied, das charakteristisch für sie ist, ein Plakatmotiv mit Motto und eine Fahne mit Logo, die man hissen kann.

Einhoff geht es darum, eine Sichtbarkeit der Vereine herzustellen und um die Frage: Was möchte diese "kleine Gemeinschaft eigentlich der großen Gemeinschaft kommunizieren?" Wie stellt sich öffentlicher Raum dar, wie Heterogenität? Es geht um so große Themen wie Partizipation, Teilhabe und um das Private und Öffentliche. Ein schöner Nebeneffekt für den Berliner Künstler war, dass das Datum seiner Aktion genau auf den Tag der Bundestagswahl fiel, ein echt demokratisches Signal.

Elf Harburger Vereine, darunter der Tauschring, der Umsonstladen, die Liederfreunde, die Briefmarkensammler, der AstA und die Landfrauen haben sich nun diesen künstlerischen Herausforderungen gestellt und treten am Sonntag zur feierlichen Präsentation am "Sand" an. Für jeden Verein dauert die Zeremonie nur wenige Minuten. Ein Trompeter wird eine Fanfare blasen und 30 Leute werden auf einer eigens antransportierten Holzbühne für jeden Verein sein Plakatmotiv hochhalten, das insgesamt 5 x 4 Meter groß sein wird, sich jedoch aus vielen kleinen Bildern zusammensetzt. Einhoff wird das filmen. Als riesig großes Spektakel im Stile eines medialen Großereignisses und mit einem Augenzwinkern.

Einhoff, der in Berlin an der Universität der Künste gelehrt hat und Mitbegründer des Skulpturenparks in Berlin sowie des Vereins "Kunstrepublik" ist, ist kein Typ, der lange im Atelier sitzt. Ihn zieht es nach draußen, Orte erkunden. In Berlin hat er schon einmal eine solche Zeremonie auf dem innerstädtischen Mauerstreifen durchgezogen. Ein guter Nebeneffekt war damals, dass sich die verschiedenen Vereine unter einander vernetzten und über Kooperationen sprachen. "Gerührt" ist Einhoff, wie die Harburger Vereine mitgemacht haben. "Alle mit einem bewundernswürdigen Schuss Selbstironie." Von biederer Vereinsmeierei war nie etwas zu spüren.

Zum Teil war Einhoff auch als Grafiker "engagiert". "Mach das mal so und so. . ." Die Vereine wollten sich alle poppig, zukunftsorientiert und mit frischen Ideen an die Öffentlichkeit wenden: "Unsere Talente zählen, nicht unsere Euro", fand der Tauschring einen Slogan.

Lachend stelle ich fest, dass Matthias eigentlich den Job eines Lokalreporters gemacht hat: Ständig auf Achse, im Gespräch mit den verschiedensten Gruppen. "Ja, ich war erstaunt, wie unterschiedlich hier die Stadtteile sind", zieht Einhoff Resümee: "Mal ist Harburg ganz kosmopolitisch, dann radelt man ein paar Meter und auf einmal ist es ländlich und Reetdachhäuser stehen herum. Ich hatte den Eindruck, dass die verschiedenen Lebenswelten hier ziemlich unberührt nebeneinander leben."

Vielleicht kann die Aktion von Einhoff helfen, die im Rahmen des Kunstprojekts "Harburger Berge" des Kunstvereins Harburger Bahnhof stattfindet, dass die Vereine ein wenig näher zusammenrücken. Und der Kunstverein? Nächstes Mal will Einhoff auch ihn fragen.