Ein Naturschützer aus Wilhelmsburg beklagt: Weil die Gräben zu früh gereinigt werden, ziehen die Tiere ab.

Altenwerder/Wilhelmsburg. Es ist ein Bild wie aus einem Bilderbuch, ein traumhaftes Bild: Zwei Eisvögel sitzen auf einem Zweig an einer Grabenkante. Es ist ein Weibchen und ein Männchen - ein Eisvogel-Pärchen. Sie sitzen, Tete-à-tete, beisammen und haben jeder einen Silberling im Schnabel, den sie aus einem Graben in Altenwerder gefischt haben.

Dieses Bild hat der Wilhelmsburger Naturschützer Gerhard Brodowski (56) am Altenwerder Hauptdeich, nahe beim Containerterminals Altenwerder (CTA), aufgenommen. Es zeigt ein Stück "heile Welt" mitten in einer Welt, in der Waren aus der ganzen Welt umgeschlagen werden, auch wenn die Weltwirtschaftskrise zurzeit weniger Container in die Hansestadt kommen lässt. Es zeigt ein Pärchen vom "Vogel des Jahres", das sich einen Entwässerungsgraben mitten im von Menschen verlassenen Altenwerder zur Heimat gemacht hat.

"Ich habe das Altenwerder Eisvogel-Paar zwei Monate lang beobachtet", sagt der Naturschützer Gerhard Brodowski. "Das Zusammenspiel zwischen Männchen und Weibchen ist einzigartig."

Gerhard Brodowski hatte im vergangenen November gemeinsam mit dem Wilhelmsburger Naturschützer Günter Ruppnow im Altenwerder Entwässerungsgraben eine Nisthilfe für Eisvögel, eine sogenannte "Eisvogelwand", errichtet. "Wir sind mit Watthosen in den Graben gegangen und haben an der Grabenkante eine senkrechte Wand in die Böschung gegraben."

Das Eisvogel-Paar hat in diese Wand eine 50 bis 80 Zentimeter tiefe Röhre gegraben - und zur Freude der Naturschützer fünf Junge groß gezogen. Und wenn die Natur sich selbst überlassen worden wäre, hätten die Eisvögel noch eine zweite Brut groß gezogen. Denn das Paar hatte eine zweite Röhre, 600 Meter von der ersten entfernt, in die Böschung gegraben und das Weibchen hatte zu brüten begonnen. "Leider haben Arbeiter den Graben zu früh gereinigt, damit ist die Brutröhre verschlammt und die zweite Brut ist elendig in ihrer Röhre verhungert", sagt Gerhard Brodowski. Er mahnt deshalb: "Leider werden viele Gräben viel zu früh gereinigt. Damit werden viele Jungvögel und Amphibien vernichtet. Die Gräben dürfen frühestens Ende September gereinigt werden."

So sind die Altenwerder Eisvögel jetzt in ein anderes Revier weiter gezogen - was Gerhard Brodowski bleibt, sind "zwei unvergessliche Monate".

Der Eisvogel: Die Italiener nennen ihn "Paradiesvogel", die Briten "Königsfischer". Berühmt ist sein leuchtend blauer Streif. An den Kopffedern hat der kleine Vogel Querbänder und an den Flügeldecken azurblaue Spitzen. Wunderschön dazu als Kontrast die weiße Kehle und die Unterseite - sie ist beim Altvogel rostrot bis kastanienbraun gefärbt.

Der Eisvogel ist 2009 der "Vogel des Jahres" in Deutschland - das zweite Mal seit 1973. Er ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine "streng geschützte Art". Die Hamburger können den Vogel mit ein bisschen Glück trotzdem entdecken: Etwa 100 Brutpaare leben in der Hansestadt.