In Brasilien hat sie Kunst studiert und wurde danach in Hamburg schnell bekannt.

Harburg. Sie ist schon eine kleine kreative Explosion. Kreuz und quer wuselt Monica Bohlmann durch ihr 90 Quadratmeter großes Dachatelier in der Schwarzenbergstraße in Harburg und zieht hier eine Leinwand hervor, zeigt dort ein paar Skizzen, da ein paar Stickarbeiten. Ihr Problem ist, dass man nicht alles machen kann, sonst sieht Frau Bohlmann keine Probleme.

Es riecht nach Ölfarbe und Terpentin unter dem Dach, einige Neonröhren erleuchten den Raum, die Jalousien sind runter gezogen, in der Ecke steht ein geblümter Sessel: zum Arbeiten muss die Künstlerin für sich sein. Dann blättert Monica Bohlmann ein alt aussehendes Fotoalbum auf. Fotos aus dem oberschlesischen Ratibor kleben darin - es sind Familienfotos der Künstlerin aus den Jahren 1941 bis 1945. Sie hat die alten Fotographien am Computer bearbeitet - zum Teil koloriert - und neben ihre eigenen Bilder aus glücklichen Kindertagen Bilder von Juden in der Nazizeit geklebt. Die hat sie aus dem Internet.

Ist es Schuld, was sie antreibt? Zumindest die Betroffenheit, dass das Ratibor, wo Bohlmann und ihr Bruder unbeschwert im Sandkasten spielten, nur 70 Kilometer von Auschwitz entfernt liegt, beschäftigt die Künstlerin. "Dass der Rauch aus den Schornsteinen, der auf uns spielende Kinder herunterfiel, vielleicht. . .", ihre Stimme stockt.

Für die Fotoarbeiten gab es einen ersten Platz in einer Künstlerbuchausschreibung. Doch das Thema ist lange nicht erledigt. Wie könnte es auch. Es bleibt das Tasten nach einer unmöglichen Unschuld oder einer möglichen Schuld. Bohlmann sucht die weitere Auseinandersetzung: Malt jüdische Kinder in kleinformatigen Ölbildern, mit ernsten Gesichtern und traurigen Augen. Ungefähr gleich alt wie sie und der Bruder. Unter die Ölschicht klebt sie ein echtes Foto, wieder im Internet gefunden. Das Ganze wird mit einer Schicht Wachs versiegelt. Monica Bohlmann wandert weiter durch ihr Dachatelier, bekleidet mit einem hellen bläulichen Kittel mit Farbspuren.

Eigentlich kam die Künstlerin ziemlich spät zum Malen, nachdem ihre zwei Töchter groß waren. Das sagt sie ohne Bitterkeit. Nach Brasilien ging sie mit ihrem Mann 1975, der dort geschäftlich hin musste, für fünf Jahre und studierte Kunst. Zurück in Hamburg ging alles ziemlich schnell. Die Künstlerin stellte aus, und eine Galerie kam auf sie zu, dann eine weitere. Bohlmann erzählt das einfach so: Unkompliziert und natürlich. Vielleicht ist die offene und unkapriziöse Art ein bisschen Bohlmanns Geheimnis. Und die Freude, die überall durchblitzt, sich auf verschiedene Sachen einzulassen. Zum Beispiel ihre Beschäftigung mit dem Thema "Mädchen, Models, Ikonen", das sich wie ein roter Faden durch ihr Schaffen bewegt: Bohlmann greift die Perfektion der Modefotografie auf, überarbeitet die Fotos am Computer, druckt sie dann auf Stoff. Dort konfrontiert sie die Abbilder mit der Endlichkeit des menschlichen Körpers - indem sie zum Beispiel ein Skelett aufstickt, Knochen oder feine Blutbahnen. Der menschliche Körper wird so nicht nur geöffnet, sondern auch als verletzlich exponiert. Das genaue Gegenteil der Modefotographie. Oder Bohlmann konserviert gerade Künstlichkeit, indem sie die perfekten Models auf dem Stoff mit heißem Wachs beträufelt und als Ikone konserviert.

Schönheit, Mutterschaft oder Geburt sind nicht nur permanente Themen für Bohlmann, ihre Arbeiten selbst sind ungeheuer weiblich. Auch vom Material her. Hautfarbener Flaum oder Garne in rosa Fleischton - all das erinnert an eine warme lichte Welt der Frauen - die bei der Künstlerin jedoch immer wieder durch anatomische Details, Endlichkeit und Tod gebrochen wird und feine Risse erhält.

Vielleicht arbeitet Bohlmann intuitiv: Bei ihr entstehen Dinge aus dem Zufall, der Situation als Ereignis. Überall im Atelier stehen großformatige Ölbilder. Mit dem besonderen Bohlmannschen Pinselauftrag, der die Materialität sanft betont und ein wenig impressionistisch wirkt. Gerade weil die Künstlerin so bescheiden ist, kann man einfach immer wieder nur staunen über dieses riesige malerische Talent.

Und dann ist da natürlich noch ein besonderer Witz. Eine Wand des Ateliers ist mit kleinen glänzenden Kissen verziert. Kommt man näher, sieht man die Stickereien darauf. Wieder geht es um Männer und Frauen. Männer sind bei Bohlmann als Hirsch dargestellt, Frauen sind die Gejagten - na ja, aber ganz so einfach ist es auch nicht . . .

Ach ja, wenn Bohlmann die steile Treppe ihres Dachateliers in der Schwarzenbergstraße runtergeht, liegt da der Schauraum, ungefähr 32 Quadratmeter groß. Ihn stellt Bohlmann kostenlos für Ausstellungen der Künstlergruppe artplacement bereit.