Marion Erarslan hat zwei Kinder auf dem Gymnasium. Hier sagt sie, wie sie über die Runden kommt.

Harburg. Marion Erarslan (45) aus Eißendorf ist stolz auf ihre Kinder Tom (15) und Nina (17). Beide besuchen das Heisenberg-Gymnasium, wollen nach dem Abitur studieren. Ihre kleine Tochter Melissa, dreieinhalb Jahre alt, kommt in eineinhalb Jahren in die Vorschule. "Ich lege großen Wert darauf, dass meine Kinder eine gute Schulbildung erhalten", sagt die 45-Jährige. Doch das kostet viel Geld, Mittel, die die Hartz-IV-Empfängerin - die Steuerfachgehilfin ist seit dreieinhalb Jahren arbeitslos - nicht leicht aufbringen kann, trotz des Schulstarterpakets, das im Rahmen des Konjunkturpakets II beschlossen worden ist.

Um bei Aufwendungen für die Schule entlastet zu werden, erhalten Familien mit geringem Einkommen, bei denen mindestens ein Elternteil auf Hartz-IV-Unterstützung angewiesen ist, im August jedes Jahres zusätzlich 100 Euro pro schulpflichtigem Kind ausgezahlt. Das Geld ist zweckgebunden: Quittungen, etwa für Zeichenbedarf oder Schreibmaterialien, müssen der Arge vorgezeigt werden. Erstmals wurde Geld aus dem Schulstarterpaket Anfang August ausgeschüttet. "Darüber bin ich gar nicht informiert worden. Ich hatte nur ein Schreiben erhalten, in dem ich aufgefordert wurde, Schulbescheinigungen für Tom und Nina beizulegen", sagt sie. Nachfragen brachten ihr nicht viel. "Die Arge-Berater sind immer so beschäftigt. Da fühlt man sich als Störer."

Das zusätzliche Geld, das nicht auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet wird, findet sie "schon hilfreich, aber längst nicht ausreichend." Die Ausgaben für Kleidung und Essen "sind gerade noch drin. Aber außergewöhnliche Aufwendungen wie Klassenfahrten, Ausflüge, Theaterbesuche oder spezielle Bücher, das wird knapp." So war Oberstufenschülerin Nina mit ihren Klassenkameraden während des vergangenen Schuljahres in London, eine Tour in die Toskana steht nun bald an. "Die Fahrten kosten etwa 300 Euro. Da ist das Taschengeld allerdings nicht eingerechnet." Dass Nina zu Hause bleibt, weil kein Geld da ist, kommt für Marion Erarslan nicht in Frage. "Sie soll sich nicht ausgeschlossen und benachteiligt fühlen. Für Jugendliche ist es außerdem wichtig, dass sie sehen, wie Menschen im Ausland leben." Und Nina sagt leise, dass es "blöd ist, wenn man nicht mitkommen kann." Jugendliche, deren Eltern auf Hartz IV angewiesen sind - das könne auf einem Gymnasium laut Marion Erarslan "schon zum Stigma werden. Das ist bestimmt an einer Haupt- oder Realschule nicht so schlimm, da dort vielleicht mehr Eltern auf staatliche Hilfen angewiesen sind", glaubt sie.

Deshalb ist die 45-Jährige froh, dass ihre Eltern und ihr Ex-Mann ihr immer wieder finanziell helfen. "Wenn das nicht der Fall wäre, wüsste ich wirklich nicht, wie ich meinen Kindern Klassenfahrten und Ausflüge ermöglichen könnte." In naher Zukunft steht die Einschulung von Melissa an. "Da spare ich jetzt schon ein wenig." Sie hat noch die Einkaufslisten ihrer beiden Großen im Kopf. "So eine Erstausstattung kann locker 250 Euro kosten." Spezielle Schulhefte, Sportschuhe für Draußen und für die Halle, Kleidung, Federtasche, Deckfarbenkasten, Bücher und dann auch die Schultüte - Marion Erarslan hofft, bis dahin wieder einen Job gefunden zu haben. Denn: "Das kann ich mit den 100 Euro aus dem Schulstarterpaket nicht alles finanzieren. Dann möchte ich Nina und Tom auch beim Studium unterstützen."

Klaus Wicher (61), Vorsitzender des Sozialverbands Deutschland in Hamburg stimmt ihr zu. "Hartz-IV-Empfänger und Arbeitnehmer mit kleinen Verdiensten haben große Schwierigkeiten, wenn es um die Bildung ihrer Kinder geht." Sie müssen die Ausgaben aus dem Regelsatz von 211 Euro für Kinder bestreiten - plus 100 Euro aus dem Schulstarterpaket.