Geschäftsleute klagen über sinkende Umsätze, Kunden wandern ab. Jetzt wird der Wirtschaftsminister eingeschaltet, eine Umgehungsstraße soll her.

Tostedt. Lastwagen quälen sich durch die Ortsmitte. Dazwischen Pkw. Es geht nur schleppend voran. Das Bremsen und Anfahren der Fahrzeuge zwischen den Ampeln erzeugt einen Höllenlärm. "Der Krach durch die Lkw ist grausam. Wir können im Sommer die Tür zur Straße nicht öffnen. Das ist katastrophal", sagt Helga Nick (60) vom Schuhhaus Wesseloh. Wie andere Geschäfte an der Bundesstraße 75 leidet ebenfalls das Tostedter Schuhhaus unter den permanenten Staus im Ortskern.

Cornelia Erhorn, Inhaberin von "new cutline - der Sassoon Friseur", ergeht es nicht anders. Sie beklagt sich: "Durch den Lärm der Lkw kann ich kaum mit meinen Kunden reden. Die Wände wackeln. Ich habe manchmal sogar das Gefühl, die Lampen fallen herunter."

Auch Barbara Wilkens, Inhaberin von "Buch & Lesen", ist bedient: "Mein Geschäft ist schlagartig leer bei einem Stau. Dann kann ich meine Mitarbeiter nach Hause schicken." Kunden meiden somit die B75 in Tostedt, und den Geschäftsleuten fehlt Geld in der Kasse. Thorsten Friesecke (30), Inhaber des Fachgeschäfts "Friesecke" für Tabakwaren und Zeitschriften, musste aufgrund der Umsatzrückgänge bereits Einsparungen beim eigenen Personal vornehmen. Noch schlimmer traf es Jan Baars. Nach dreieinhalb Jahren musste der frühere Inhaber des Geschäfts "Bastelfuchs" zum 1. Juni seinen Laden dicht machen. "Den Kundenrückgang schiebe ich vor allem auf die Baustellen der A 1. Seit diesem Januar hatte ich Umsatzeinbußen von 70 Prozent", so Baars.

Viele Lastwagenfahrer nutzen die B75 seit Einführung der Autobahnmaut als Umgehungsstraße und verstopfen somit die Zentren vieler Orte an der Bundesstraße wie Tostedt oder auch Scheeßel. Zudem wird die A1 seit Beginn dieses Jahres zwischen Bremer Kreuz und Buchholzer Dreieck noch bis Ende 2012 auf sechs Spuren ausgebaut. Bei Staus dort ist auch die B75 schnell voll. Die Tostedter Geschäftsleute haben einen umfangreichen Maßnahmenkatalog entwickelt zur Verbesserung der Verkehrssituation im Ortskern.

Lothar Kurze (64), Geschäftsführer des Kaufhauses Bade, fordert eine bessere Ampelschaltung an der B75 im Falle von Stockungen. Kurze: "Der Verkehr muss bei Stauzeiten künftig einfach besser abfließen." Schließlich würden derzeit einige Kunden lieber nach Buxtehude oder Buchholz in der Nordheide ausweichen, um den Staus in Tostedt zu entgehen.

Durch eine Lkw-Mauteinführung für die B75 erhoffen sich Holger Wiese (47, Geschäftsführer von "Dreppenstedt Optik") und Christian Wilkens (36, Juniorchef des Modehauses Wilkens), dass die Laster aus Tostedt verschwinden und somit wieder mehr Kunden die Tostedter Geschäfte aufsuchen. "Das Fernziel muss eine Umgehungsstraße für Tostedt sein. Das wäre die Traumlösung", sagt Christian Wilkens. Für den Nachbarort Scheeßel wurde schließlich bereits eine Umgehungsstraße, mit deren Bau ab 2011 begonnen werden soll, genehmigt.

Heiner Schönecke (63, CDU), Landtagsabgeordneter und stellvertretender Landrat des Landkreises Harburg, sieht dringenden Handlungsbedarf: "Ich erwarte von den beteiligten Behördenleitern in Berlin, Hannover und den Landkreisen, dass diese unhaltbare Situation zur Chefsache gemacht wird. Einer Umgehungsstraße für Tostedt muss die höchste Priorität zugeordnet werden Anscheinend ist die 40-köpfige Planungsgruppe nicht in der Lage Lösungsmöglichkeiten zu finden." Landrat Joachim Bordt (FDP) und Tostedts Samtgemeinde-Bürgermeister Dirk Bostelmann (CDU) wollen während eines Gesprächs beim niedersächsischen Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auf die schwierige Situation in Tostedt aufmerksam machen. Zudem kündigen die Gemeinde Tostedt sowie der Werbekreis Tostedt eine Pressekonferenz für die kommende Woche an, in der erste Ergebnisse zur Verbesserung präsentiert werden sollen.