Im Nebeneinander von Alltagsgegenständen und Fundstücken lässt die Künstlerin überraschende Installationen entstehen.

Rothenburgsort. Ihr Atelier am Bullerdeich ist schmal wie ein Schlauch. Überall an der Wand hängen kleine Teile. Filigrane Fundstücke, die darauf warten, verwendet und verknüpft zu werden und sich in die Luft zu erheben, zu vernetzen. Früher, als Kind, hatte Antje Bromma diesen seltsamen Wunsch, Dinge aufzubewahren, weil sie so schön waren. Das fing schon bei der herrlich süßen Schokolade an. Was machte die Künstlerin damals? Sie fertigte winzige Pakete: ein kleines Schokopaket als Notvorrat. Im Sammeln und Aufbewahren aus der Kindheit spiegelt sich Sehnsucht, Lust am Schönen und etwas Spielerisches. Genau aus dieser Spannung schöpfen Brommas Installationen auch heute ihren Reiz.

Wenn die Künstlerin heute unterwegs ist, hebt sie Fundstücke auf. Das kann ein bunter Plastikeislöffel aus der Eisdiele sein, der irgendwann Teil einer ihrer Installationen wird. Sogar ein bunter Dekopuschel von Douglas hat es bis in ihr Atelier geschafft. Was die Künstlerin reizt, ist die Vielfalt der Möglichkeiten, die im Material liegen: Gegenstände gleichberechtigt nebeneinander zu präsentieren, aber auch ihre Spannungen auszureizen, die sie nebeneinander entfalten. Dabei beweist Antje Bromma (40) unglaubliches Fingerspitzengefühl: Im Nebeneinander der Alltagsgegenstände entsteht bei ihr plötzlich surreale Magie und Kraft. Da schwebt das giftgrüne Küchensieb neben flauschigen Federn und Gummiteilen.

Bromma studierte Kunst in Hannover und fing eigentlich als Steinbildhauerin an. Ihr Lehrer, der japanische Professor Makoto Fujiwara, vertrat eine eigene Formenlehre. Bromma dachte sie weiter und lernte, Material auf sein Potenzial zu untersuchen. Das haptische Moment des Materials zu verstehen und nicht einfach nur zu benutzen: Ist etwas hart, warm, weich, biegsam? Von dieser sensiblen Schule profitieren Brommas außergewöhnliche Installationen noch heute.

Wie sieht ein Kunstwerk bei Bromma aus? Zunächst gibt es jedes Kunstwerk bei Bromma nur einmal. Und zwar für die Zeit der Ausstellung. Danach wird gnadenlos mit der Schere abgebaut. Schnipp, schnapp. Ein Werk der Künstlerin im eigenen Wohnzimmer zu haben, ist eher unrealistisch. Wenn die Künstlerin ausstellt, dann rückt sie mit vielen Kartons gefüllt mit Material an. Und mit der feinen Schnur aus Island, die sie in ihrer ganz besonderen Technik blitzschnell auseinander zwirbelt, und die die Fundstücke in der Luft als fragile Rauminstallation an der Decke zusammenhält und verbindet. Vom Volumen her ist das Material am Boden meist überschaubar, in der Luft dehnt es sich erstaunlicherweise schnell auf fünf bis zehn Meter aus.

Der Aufbau der luftigen und spielerischen Installationen an einem Ort kann bis zu zwei Wochen dauern: Die Künstlerin geht in dieser Phase mit ihren Materialien vor Ort in Klausur, versucht den Raum zu verstehen, mit ihm zu arbeiten und mit der Installation zu unterstreichen. Langsam erfahren die Dinge dann ihre Auferstehung, ihr zweites, ästhetisches Leben. Vom Boden erheben sie sich mit Schnüren verdrahtet und verbunden. Bromma hat ihre Installationen, zu denen auch verwesende Gegenstände zählen, bereits in der Natur aufgebaut. Wenn der Wind die bunten Dinge bewegt, darin raschelt und spielt, ist das von einer ungeheuren ästhetischen Kraft und leuchtenden Schönheit. An Pollenflug denkt der Betrachter, an Blüten und zarte Flocken. Im Raum entfalten Brommas Installationen eine surrealistische Magie. "Jeder Installation liegt ein Gedanke, ein Thema oder eine Farbe zugrunde, die mir assoziativ im Kopf schweben und langsam in der Luft umgesetzt werden", sagt die Künstlerin.

"Heiter, voller Leichtigkeit und aufmunternd": So empfinden Besucher die Werke von Antje Bromma. Bald steht für die Künstlerin und ihre Fundstücke eine logistische Herausforderung an. Sie muss aus ihrem Raum in dem weinberankten Atelierhaus am Bullerdeich ausziehen, da der Eigner Vattenfall die Räume gekündigt hat. Für viele Künstler, die hier arbeiten, ist das eine Katastrophe. Bromma zieht in ein Atelier in der Speicherstadt, ein geheimer Förderer gibt die Hälfte im Rahmen eines Atelier-Stipendiums dazu. Zuletzt stellte die Künstlerin im Südbalkon in Wilhelmsburg aus. Weitere Ausstellungen werden im Herbst erwartet.