Nicht jeder Bieter hat eine Chance, denn das Konzept muss stimmen. So wäre etwa eine Diskothek in dem Ort unerwünscht.

Emmelndorf. "Es war einmal... so könnte Ihr Artikel doch anfangen!" Dieser Gedanke gefällt Rainer Pfeiffer. Und warum eigentlich nicht - schließlich geht es um ein märchenhaftes Haus: Es war einmal ein prächtiger Kleinstadt-Bahnhof mit Rotklinker-Fassade. Irgendwann fuhren die großen Züge nur noch an ihm vorbei, und dem Gebäude drohte der Verfall.

Da kam der Privatier Rainer Pfeiffer, nahm eine Million Euro in die Hand, richtete ein Telefonmuseum in dem Bahnhof ein und rettete ihn so vor dem Verfall.

Jetzt will sich der Mann, der im Bahnhof lebt, von seinem Märchenhaus trennen. "Aus Altersgründen", sagt der 72-Jährige.

Rainer Pfeiffer und seine Frau werden in die Nähe ihrer Enkel nach Hamburg-Niendorf ziehen. Der in den 90er-Jahren restaurierte Hittfelder Bahnhof in Emmelndorf steht zum Verkauf an. Das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1871 dürfte eine der derzeit extravagantesten Wohn- und Gewerbeimmobilien Deutschlands sein. Der Kaufpreis: 1,29 Millionen Euro.

Wer will, kann sich eine Lokomotive in den Garten stellen. Die alten Schienen, wenn auch übergrünt, liegen noch da. Rainer Pfeiffer plante einst, zwei Doppelstock-Waggons aus dem Jahr 1936 zu einem Restaurant umzubauen. Doch bevor es dazu kam, fielen die Waggons einem Feuer zum Opfer. Technik und Grün sind im dem Garten an den Gleisen vereint. Ein 9,5 Tonnen schwerer Tender aus Gusseisen, ein Haltesignal und ein Andreaskreuz stehen zwischen den Blumen. Der Bahnhof ist bewohnt: Vier Wohnungen mit insgesamt 308 Quadratmetern Wohnfläche gibt es hier. Pfeiffers 4-Zimmer-Appartement wird frei, die übrigen Wohnungen sind vermietet. "Wir versuchen, dass der neue Besitzer die Mieter übernimmt", sagt Rainer Pfeiffer. Mieter im Bahnhof ist auch die Werbeagentur "Bahnhofcreativ". 700 Quadratmeter gewerbliche Nutzfläche bietet das Bahnhofsgebäude: eine Wartehalle, in der bis 2008 Pfeiffers Telefonmuseum beheimatet war, und ein Kellergewölbe. Liebevolle Eisenbahner-Details, wohin man schaut: So hat Pfeiffer einen Original-Fahrkartenschalter aus den 40er-Jahren bewahrt und eine Personenwaage aus dem Harburger Bahnhof gerettet.

Wer ist der "Mann im Bahnhof" überhaupt? "Ich bin kein Eisenbahnfreak", betont Rainer Pfeiffer. Der Werdegang des 72-Jährigen bietet Stoff für zwei Leben. Fünf Berufe habe er gelernt: Gärtner, Krankenpfleger, Imker, Ausbildung an der Hotelfachschule in Lausanne, schließlich Fernmeldetechniker. 30 Jahre lang war Pfeiffer selbstständiger Unternehmer im Fernmeldewesen. Dazu kommen zwei Jahre in der Fremdenlegion (ohne Kriegseinsatz), schließlich "Direktor" eines Telefonmuseums.

Nicht jeder Bieter habe Chancen. Das Konzept müsse stimmen. "Wir haben der Gemeinde versprochen, dass keine Disco hineinkommt", sagt Pfeiffer. Er wolle das Ambiente aufrechterhalten, "Ruhe und Frieden". Denkbar sei gehobene Gastronomie, ein Weinhandel, ein Filmstudio oder der Bahnhof als "Event-Location", also Veranstaltungszentrum. Maklerin Anja Read vom Harburger Büro Haferkamp, Pfeiffer nennt sie gerne "seine Managerin", ist überzeugt: "Einen Liebhaber, der die zeitgenössische Bedeutung des Gebäudes schätzt, werden wir finden."