Ein Grabungs-Team des Helms-Museums katalogisiert jedes Detail von der Scherbe bis zum Ziegel. Doch die Bagger warten schon.

Winsen. Dass sich im Erdreich des Grundstücks Marktstraße 13 in Winsen Spuren aus der Vergangenheit befinden würden, daran zweifelte das Grabungs-Team des Helms-Museums in Harburg keine Sekunde. Doch als die Archäologen schon in nur 50 Zentimetern Tiefe die ersten Spuren der Vergangenheit frei legten, war klar, dass die Geschichtsbücher der Stadt Winsen um einige wichtige Informationen ergänzt werden können.

Das, was sie nach dem Abriss eines Wohnhauses entdeckten, ist eine kleine Sensation. "Völlig überraschend fanden wir Überreste aus dem Mittelalter", sagte Kreisarchäologe Jochen Brandt, "die Ausgrabungen lassen jedoch noch älteres Fundmaterial vermuten als wir bisher entdeckt haben. Diese Grabung ist für Winsen und seine Umgebung wirklich einmalig."

Ziegelsteine, Dachpfannen, Brocken von Raseneisenerz für den Mauerbau, typisches Steinzeug und dunkelgraue Keramik aus der Zeit zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert - "das ist zwar eine kleine, aber sehr ergiebige und wichtige Grabungsstätte für die Geschichte", sagte Jochen Brandt, "bei den Funden geben schon kleinste Teile Aufschluss über das Leben im Mittelalter an dieser Stelle."

Passanten, die über den Bauzaun schauen, blicken auf eine sechs mal drei Meter große Ausgrabungsfläche, die bei genauerem Hinschauen aus mehreren, unterschiedlich strukturierten Erdschichten besteht. Von Tag zu Tag buddelt sich das Team um Grabungsleiter Wolfgang Scherf tiefer in den Boden. Vier Herdstellen wurden bisher freigelegt, dazu Scherben mittelalterlichen Koch- und Haushaltsgeschirrs, kleine Tongewichte und Spinnwirtel - nichts anderes als eine Handspindel.

Deutlich zu erkennen ist ein ehemaliger Graben. Hausreste und mehrere Holzkohleschichten zwischen den einzelnen Bauphasen von mindestens sechs Gebäuden bezeugen wiederholte Brandkatastrophen, von denen zwei mit den großen Stadtbränden in den Jahren 1528 und 1585 zusammenhängen könnten.

Ein sogenanntes "Bauopfer", gefüllt mit unbekanntem Inhalt, gehört zu den Highlights der Funde. Jochen Brandt fand das Gefäß unter einer Herdstelle. "Solche Herdopfer sind Teil des früheren Volksglaubens", sagt er, "die in dem Tontopf aufbewahrten Zaubermittel sollten zumeist dazu dienen, Schaden vom Haus und Bewohnern fernzuhalten."

Damit es nicht zerfällt und später untersucht werden kann, wurde es vor Ort eingegipst.

Doch die Ausgrabungen bleiben weiter spannend bis zum Schluss, denn die Spuren im tieferen Erdreich lassen vermuten, dass an dieser Stelle Menschen schon in der Bronze- und Eisenzeit gewohnt haben. "Wir nehmen an, dass wir noch mehr Stadtgeschichtliches finden werden", sagt Wolfgang Scherf und zeigt auf einen Sandbereich, der sogar Aufschluss über das Leben an der Luhe vor rund 3000 Jahren geben könnte.

Die Zeit drängt. Bis zum kommenden Donnerstag hat das Grabungsteam des Helms-Museums Zeit, weitere Details aus der Vergangenheit ans Tageslicht zu bringen. Dann soll ein Wohn- und Geschäftshaus gebaut werden. "Wir hoffen, dass uns noch etwas mehr Zeit gewährt wird für unsere Ausgrabungen", sagt Jochen Brandt, "wenn die Bagger anrücken, bleibt von diesem Teil der Stadtgeschichte nichts übrig."