Ganz bescheiden, ja, hanseatisch, haben sich die beiden Künstler beworben: “Wir kommen von außerhalb. Zwei Jahre sind ein guter Zeitraum, um als Ortsfremde mit einem Milieu vertraut zu werden.“

Veddel. Die beiden Künstler sind ein Künstler-Paar, "das seine Paarigkeit nicht betont". Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll (beide 48) kommen aus Berlin und sind seit heute offiziell die neuen "Quartierskünstler" für die Veddel. Eine Fachjury hat das "Künstlerduo Dellbrügge & de Moll" aus 90 Bewerbern für ein Stipendium der SAGA GWG Stiftung Nachbarschaft ausgewählt. Die "Quartierskünstler" sind auf der Veddel "auf der Suche nach dem perfekten Ort" - in einem Quartier, "das nach eigenen Regeln funktioniert". Auf der Suche nach Außenseitern. "Diese Motive", sagt das Paar, "korrespondieren mit der besonderen Lage der Veddel."

Veddel 2009: Das heißt wenig Kaufkraft, meist einfache Bildung und Menschen, die ihre Wurzeln in anderen Kulturen haben. Der größte Vermieter der Veddel macht sich da etwas Sorgen um das "Image": 1000 von 2100 Wohnungen vermietet die SAGA GWG auf der Elbinsel, in ihnen leben 2500 von 4800 Einwohnern. In den letzten zehn Jahren hat Hamburgs größtes Wohnungsunternehmen 45 Millionen Euro für Balkone, Bäder und Fenster investiert - 350 Studenten wurden angesiedelt, um die Veddel "aufzuwerten". Und jetzt hat die SAGA GWG die beiden Berliner in ein 90 Quadratmeter großes Wohn-Atelier in der ehemaligen Polizeikaserne gebeten, wo sie für 600 Euro im Monat ihren Kulturbeitrag für den Vielvölkerstadtteil leisten werden.

Einen ziemlich perfekten Ort haben Christiane Dellbrügge und Ralf de Moll schon entdeckt: die "Veddeler Fischgaststätte". Christiane Dellbrügge gefällt "das strenge, aber nette Team, so wie man es von Hamburgern erwartet".

Gestern machten Arbeiter im Innenhof des Künstler-Paars noch die Hecken schön, am Mittwoch hatte eine "Anti-Graffiti-Brigade" das Wohnatelier für den heutigen Empfang "aufgehübscht". "Man kann den Stellenwert eines Stadtviertels ablesen am Pflegeaufwand der Rabatten", sagt Christiane Dellbrügge. Auf der Veddel sei der "Pflegeaufwand gering - es gibt wenig Blumen und Stauden, dafür viele Hecken und Büsche".

"Ob 'historische Auswanderstadt', 'Problembezirk' oder 'Parallelgesellschaft' - die Veddel ist in der Außenwahrnehmung anders", sagt Ralf de Moll. Die Quartierskünstler hatten als ersten Eindruck, "wir sind in einer konsum- und werbefreien Zone gelandet, mit zwei türkischen Gemüseläden, einem Bäcker und einem Penny". Da auf der Elbinsel "eine neue Mitte entstehen soll", sagt Ralf de Moll, "kommt sicherlich eine Aufwertung - dann werden Veddel und Wilhelmsburg keine Nischen mehr sein. Veddel ist eine spezielle Nische, die einen Dornröschenschlaf schläft."

Ralf de Moll: "Das alles sind erste Eindrücke, wir versuchen uns langsam zu orientieren - aber Veddel ist kein Problemviertel auf einem absteigenden Ast, sondern ein Entwicklungsgebiet". Als wichtig erachten die Künstler, dass Veddel "einen besseren Zugang zur City bekommt, vor allem mit dem Fahrrad". Und sie fragen sich, ob den "Outlaws, den Migranten, Studenten und Künstlern auf der Elbinsel nur der Status des Pausenclowns zugestanden wird, der nach seinem Auftritt die Bühne wieder räumen muss - für die Gentry, die Bürgerlichen, die kommen werden."