Es war 10.15 Uhr, als der Bürgerschaftsabgeordnete Metin Hakverdi (39) seine Wohnung in der Georg-Wilhelm-Straße verließ und mit einem Dreitagebart zum Wahllokal in der Sprachheilschule Wilhelmsburg am Kurdamm stiefelte.

Der Spaziergang dauerte nur vier Minuten, da hatte der gebürtige Wilhelmsburger genügend Zeit, darüber nachzudenken, was er zu wählen gedenkt: Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) natürlich, für die er seit 2008 in der Bürgerschaft Politik macht.

Es war der Sonntag der Europa-Wahl als Metin Hakverdi um 10.20 Uhr das Wahllokal des Wahlbezirkes 137.16 betrat. Zwanzig Minuten verbrachte der Rechtsanwalt in der Schule - in dieser Zeit wählten nur zwei Wilhelmsburger um die 75. In einem Wahlbüro in Kirchdorf-Süd war die Wahlbeteiligung noch verheerender: Von 700 Wahlberechtigen kamen in der ersten Stunde ganze sechs Wähler.

So bilanzierte Metin Hakverdi, Sohn einer Deutschen und eines Türken, der mittlerweile einen deutschen Pass hat: "Wir müssen bei dieser Europa-Wahl leider wieder mit einer sehr unerfreulichen Wahlbeteiligung rechnen."

Eine Analyse für das große Desinteresse an diesem Tag mit Wolken und Regen hatte der Sozialdemokrat auch parat: "Es fehlt uns in Europa an einer Regierung, die von einem Parlament gewählt wird." Seine Empfehlung: "Ich wäre dafür, dass die Europäische Kommission direkt vom Parlament gewählt wird", sagte der Politiker, der Zeit seines Lebens in der Georg-Wilhelm-Straße wohnt, aber auch schon zwei Jahre lang an einer High School in Los Angeles, Kalifornien, und in Bloomington an der Indiana State University seinen Horizont erweitert hat. Auch zum Studium führte es ihn weg von der Elbinsel: Er studierte an der Christian-Albert-Universität zu Kiel und machte sein Referendariat in Aurich, Ostfriesland. "Aber bis jetzt", sagt Metin Hakverdi, "bin ich immer wieder zurück auf die Elbinsel gekommen."

Bei der Bundestagswahl 2009 im September kandidiert der Wilhelmsburger auf Listenplatz 10 für das Parlament, kann allerdings nur bei einem politischen Erdbeben in den Berliner Reichstag ziehen: Wenn alle Hamburger SPD-Kandidaten kein Direktmandat gewinnen und die Genossen über 80 Prozent der Zweitstimmen in Hamburg gewinnen.