Schüler erforschen den Wilhelmsburger Kriegsbunker, der “Energiebunker“ werden soll.

Wilhelmsburg

Es war eine Erfahrung, die sie wohl nicht vergessen werden. 27 Schüler der integrierten Haupt- und Realschulklasse 7b der katholischen Bonifatiusschule in Wilhelmsburg haben das Innere des Flakbunkers an der Neuhöfer Straße besucht. Im Vorraum stellten sie sich an die Wand - dann wurde das Licht ausgemacht, und es war stockdunkel. "Boah, heute war ich das erste Mal im Bunker", schreibt ein Schüler, "mir war echt kalt. Ich hatte ein Kriegsgefühl, das war echt gruselig. Der Bunker kam mir gefühllos vor. Und dann noch, wo das Licht ausging, uhhh. Ich habe mich nicht sicher gefühlt."

"Als wir in den Bunker rein gingen, kam ein kalter Wind geflogen", schreibt ein anderer Schüler. "Danach gingen wir nach hinten - langsam haben wir uns einsam gefühlt. Als es dunkel wurde, hatte man Angst, dass irgendetwas einstürzen würde oder man allein sein würde. Wir dachten auch, dass gleich Hitlers Spucke auf uns fällt. Aber das waren nur Spinnennetze."

Seit einem Monat sind die Siebtklässler mit ihrer Klassenlehrerin Tina Looser (48) auf der Spur der Geschichte des Wilhelmsburger Flakbunkers. Unterstützt werden sie von Margret Markert (55) von der Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen, der Historikerin Barbara Günther (43) und der Regisseurin Anke Krahe (44). "Der mächtige Koloss ist in Wilhelmsburg unübersehbar", sagt Margret Markert. "Für Jugendliche ist der alte Bunker ein faszinierender Ort. Er birgt Geschichte, Geheimnis und Gefahr."

Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) soll der Flakbunker zum "Energiebunker" mit Wärmespeicher und Blockheizkraftwerk umgebaut werden. "Grund genug, endlich darzustellen, welche Rolle der Bunker im Zweiten Weltkrieg gespielt hat und die Geschichten zu erzählen, die sich hinter den fast drei Meter dicken Mauern und um sie herum ereignet haben", sagt Margret Markert. Die "Boni"-Schüler werden sich mit den Themen Kindheit im Krieg, Bombenangriffe, Flakdienst, Kriegsdienst und der Bunkersprengung 1947 auseinandersetzen. Am Sonntag, 5. Juli, ab 12 Uhr werden sie ihre Ergebnisse sowie Fotos und Filme in der Parkanlage am Bunker präsentieren und ein szenisches Theaterstück aufführen.

"Das Leid, das die Menschen im Bunker erlebt haben, ist heute kaum noch zu ermessen", sagt die Regisseurin Anke Krahe (44). "Man ging damals mit einem Koffer in den Bunker und wusste nicht, ob nachher das Haus noch steht und der Nachbar noch lebt."

Es war eine verrückte Zeit in Wilhelmsburg, nachdem der Bunker 1943/44 als Schutzraum und Flakstandort gebaut worden war: Oben auf dem Turm halfen junge Flakhelfer - 15, 16, 17 Jahre alt und viele von ihnen Schüler des Wilhelmsburger Gymnasiums - Flugzeuge der Alliierten abzuschießen. Und zur gleichen Zeit saßen ihre Eltern, Geschwister und Freunde in den Schutzräumen und beteten darum, dass das Leben weiter geht nach dem Angriff.

Die Flakhelfer und Schüler von damals sind heute zwischen 75 und 85 Jahre alt, manche von ihnen leben noch in Wilhelmsburg und erinnern sich. Die Schüler suchen jetzt Zeitzeugen, die Erinnerungen an den Bunker haben. Auch Fotos und andere Dokumente der Kriegsjahre in Wilhelmsburg sind willkommen (Kontakt: Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg & Hafen, Telefonnummer: 040/42 10 39 15). In der "Langen Nacht der Museen" am heutigen Sonnabend, 16. Mai, richtet die Geschichtswerkstatt im Museum Elbinsel Wilhelmsburg eine "Bilder-Sammel-Stelle" ein.

Klassenlehrerin Tina Looser freut sich indes, dass ihre Schüler sich jetzt "gründlich mit historischen Details beschäftigen können". Jeanette (12), sie wohnt gleich neben dem Bunker, fragte sich vor einigen Jahren noch, "ob da noch Leichen drinnen liegen". Heute will sie mehr über "Hitler und den Krieg wissen". Und Timo (13) ist sich sicher, "dass dort im Krieg ein ziemliches Gedränge gewesen sein muss mit Hektik und Panik".

Die Zeitzeugen werden sagen, wie es wirklich war. Um das Projekt zu realisieren, sind Spenden vonnöten. Das Konto der Geschichtswerkstatt: Honigfabrik, Kontonummer 1263 124 198, BLZ 200 505 50, Hamburger Sparkasse.