Drei Tote allein im Hamburger Süden. Mit Infoständen an den Unfallorten wird für besonnene Fahrweise geworben.

Harburg/Winsen/Stade

Die Unfallanzeige mit dem Aktenzeichen 045/4V/032797 vom 4. Mai 2008 hat ein rotes Filzstiftkreuz in der oberen rechten Ecke. Ein Polizist hat das Kreuz auf der Akte notiert. Es steht für den Tod von Stefan R. (Name von der Redaktion geändert). Er wurde nur 25 Jahre alt. "Das ist das Traurigste bei der Sache", sagt Hauptkommissar Rüdiger Nickel (56) von der Hamburger Verkehrsdirektion.

Stefan R. ist vor fast genau einem Jahr, an einem sonnigen Maisonntag um 19.10 Uhr, auf dem Übergang der Harburger Stadtautobahn A 253 in die Hohe Straße mit seinem Motorrad in einer leichten Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abgekommen. "Verletzungen: schwer verletzt, schwere Beinverletzungen, Kopfverletzungen, Armverletzungen", heißt es in der Unfallanzeige. "Das Krad stürzte unkontrolliert, der Fahrer prallte mit dem Körper gegen zwei Haltungsstreben der Schutzplanken und wurde schwerst verletzt. Das Krad wurde durch den Aufprall in diverse Einzelteile zerborsten, die zum Teil über die Fahrstreifen des Gegenverkehrs hinaus folgen."

Stefan R. kam mit dem Rettungshubschrauber ins Universitätsklinikum Eppendorf und dann ins Unfallkrankenhaus Boberg. Er ist einer von insgesamt elf Motorradfahrern, die im vergangenen Jahr auf Hamburger Stadtgebiet bei einem Verkehrsunfall starben. 2007 kamen 4 Motorradfahrer ums Leben. "Vier bis fünf Todesfälle sind leider der Durchschnittswert für Hamburg", sagt Hauptkommissar Rüdiger Nickel, "ich hoffe sehr, dass es sich bei dem Anstieg nicht um einen Trend handelt."

11 Motorradunfälle mit Todesfolge hatte es in Hamburg zuletzt 1999 gegeben. Zum Vergleich: Im Landkreis Harburg starb 2008 ein Motorradfahrer, 2007 starben drei Kradfahrer. Auch im Landkreis Stade starb 2008 ein Motorradfahrer - im Jahr zuvor kamen sechs Kradfahrer ums Leben.

Die Verkehrsdirektion erinnert in diesem Jahr an die elf getöteten Motorradfahrer in Hamburg. Polizisten sprechen genau ein Jahr nach dem Unfall an der Unfallstelle mit Angehörigen und mit Passanten. "Wir ermahnen zu vorsichtiger Fahrweise", sagt Rüdiger Nickel, der am Montagnachmittag einen Infostand an der Winsener Straße unterhalb der Stadtautobahn aufbaute. Der Harburger Motorradfahrer Thomas Bahlmann (48) fährt seit 30 Jahren unfallfrei. "Es war in all den Jahren auch viel Glück dabei", resümierte er.

Außer auf der A 253 in Wilstorf starb im Hamburger Süden vergangenes Jahr noch ein Motorradfahrer an der Ecke Finkenwerder Straße/Dradenauer Hauptdeich (Altenwerder, 26. Juli 2008) und einer auf der A 255 (Wilhelmsburg, 3. August 2008) in Richtung Norden. Als "Unfallursache" für Stefan R. ist in der Anzeige "blendende Sonne" angegeben. Tatsächlich ist der junge Mann aber vor allem gestorben, weil er zu schnell war, so das Dekra-Gutachten vom 11. Juni 2008. "Zur Frage der Ausgangsgeschwindigkeit des Kraftrades kann in Hinblick auf die kollisionsbedingten Beschädigungen unter Einbeziehung der Kratzspuren auf der Fahrbahn von ca. 100 km/h ausgegangen werden", schreibt der Gutachter. Erlaubt war aber nur Tempo 60.

"Leider, leider ist zu hohe Geschwindigkeit immer wieder die Unfallursache bei Motorradfahrern", sagt Hauptkommissar Rüdiger Nickel. "Wenn ein zweites Fahrzeug beteiligt ist und die Unfallursache gesetzt hat, dann hat dieser Fahrer den Motorradfahrer meistens übersehen." Aber auch für die meisten dieser Unfälle gelte: Der Autofahrer übersieht den Motorradfahrer, weil dieser einfach zu schnell unterwegs war.

Immer häufiger, so Rüdiger Nickel, verunglücken Motorradfahrer "über 35 Jahre und hier speziell die Wenigfahrer oder die sogenannten Wiedereinsteiger". Der Appell des Hauptkommissars: "Runter vom Gas!"