500 Jüdinnen mussten Am Falkenbergsweg unter den Nazis Zwangsarbeit leisten. Nicht alle haben überlebt.

Der Duft von Frühlingsblumen liegt in der Luft. Die letzten Lichtstrahlen der Abendsonne bahnen sich den Weg durch das Grün der Blätter und sorgen auf der großen Waldlichtung am Falkenbergsweg in Neugraben für eine Atmosphäre, wie sie idyllischer nicht sein könnte. Die Vögel lassen ihr Abendkonzert erklingen und die einzigen Geräusche, die die Stimmung trüben, sind die der Autos, die in fast regelmäßigen Abständen den Neugrabener Heideweg entlangfahren. In das Bild fügt sich perfekt ein großer Findling ein, der am Rand der Lichtung steht. Doch er enthüllt ein Kapitel dunkle Geschichte dieses Ortes. Vor 65 Jahren war dort, wo heute Spaziergänger die Natur genießen, ein Ort der Qualen, der Unterdrückung, des Leidens. Im September 1944 errichteten die Nationalsozialisten auf der Waldlichtung ein Außenlager des Konzentrationslagers Hamburg-Neuengamme, in dem 500 Frauen unter schrecklichen Bedingungen einige Monate leben mussten.

In regelmäßigen Abständen veranstaltet der Freundeskreis der KZ-Gedenkstätte Neuengamme e.V. "Abendspaziergänge in die Vergangenheit". Auch in diesem Jahr führt der Hobby-Historiker Heiner Schultz eine Gruppe zurück in die furchtbare Vergangenheit. Rund 20 Teilnehmer begleiten den 75-Jährigen an diesem Tag. Die Spaziergänger erreichen die Waldlichtung, den Ort, an dem die 500 tschechischen Jüdinnen zwischen dem 13. September 1944 und Februar 1945 in Holzbaracken untergebracht waren, um den Bau von Straßen und Wasserleitungen in der Falkenbergsiedlung voran zu treiben. Der Historiker zeigt Fotos von den Überresten des Lagers, berichtet von dem, was seine jahrelangen Forschungen ergeben haben. Schultz' Beschreibungen sind sehr bildlich, sodass die Baracken in der Fantasie der Zuhörer wieder sichtbar werden. "Die Frauen waren für diesen Standort in Auschwitz selektiert worden", sagt Heiner Schultz mit Nachdruck. "Sie waren also den Gaskammern entkommen, aber viele von ihnen erwartete der Tod durch die viel zu schwere Arbeit, die sie in Hamburg verrichten sollten."

Bedrückende Ruhe breitet sich in der Gruppe aus. Eine Frau, die auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung fröhlich mit ihrem Hund spielt, wirkt störend. Mehrere Holzbaracken waren akkurat auf dem heute freien Feld aufgebaut worden, aber für eine Kanalisation sorgten die Nazis nicht. "Den Aufsehern konnte dies egal sein, denn sie trugen feste Stiefel", so Schultz. "Aber die Frauen in ihren behelfsmäßigen Holzschuhen litten extrem unter den Bedingungen. Auf Deutsch gesagt: Sie standen hier teilweise kniehoch in ihrem eigenen Dreck." Aufgabe der Frauen war es, Betonplatten herzustellen und zu transportieren. Nach Bombenangriffen mussten sie Aufräumarbeiten in der Harburger Mineralölindustrie verrichten.

"Obwohl dies eine für Frauen unmenschliche Arbeit war, wissen wir heute nur von drei bis vier Todesfällen hier im Lager", so Schultz. "Viele Anwohner aus der Umgebung versuchten ein wenig zu helfen, zum Beispiel mit Nahrung. Vielleicht starben deshalb verhältnismäßig wenige." Anfang des Jahres 1945 wurden die Frauen in das Außenlager Tiefstack umgesiedelt. Die Baracken wurden unmittelbar nach dem Krieg abgerissen, einzig die der SS-Aufseher bestand bis 1972.

Heute erinnert nur der Findling an das Grauen, das sich auf der Waldlichtung in Neugraben zugetragen hat. Die Inschrift direkt im Stein wurde vor drei Jahren eingraviert. Mehrere Emailletafeln waren seit 1985 von Unbekannten beschädigt oder entfernt worden. Heute ist das Gelände Naturschutzgebiet. Die Überlegungen, das Gelände zu bebauen, konnten in den 1980er Jahren abgewendet werden. Also werden dort weiterhin an Sommertagen die Vögel zwitschern, Blumen auf der Wiese blühen und auf den ersten Blick niemand erahnen können, das dieser Ort nicht immer so idyllisch war wie heute.