Wegen der Kälte können die Honigbienen nicht fliegen und die Apfelbäume im Alten Land befruchten

Jork. Gerd Lefers versucht, gelassen zu bleiben. Der Obstbauer aus Jork schaut in den wolkenverhangenen Himmel und zuckt mit den Schultern. "Was soll ich machen? Ich kann ja keine Heizung für die Bienen bauen." In diesen Tagen treibt die Natur ein böses Spiel mit den Obstbauern im Alten Land. Dem Kalender nach ist eigentlich Frühling. Aber die Temperatur schafft es meistens einfach nicht, über zehn Grad hinaus zu kommen.

Wir Menschen streifen uns dann halt wieder die Winterjacke über und stapfen ins Freie. Aber die Bienen verhängen sich bei dieser Kälte ein Ausschwärmungsverbot. Es muss mindestens 15 Grad warm sein, damit die fleißigen Bienchen fliegen.

Wenn es weiterhin so kalt bleibt, kann das schwere Folgen für die Ernte im Alten Land haben. Denn den Bienen kommt in dem Anbaugebiet eine Schlüsselrolle zu: Die Arbeiterinnen befruchten beim Nektarsammeln die Blüten der Bäume. Nur so reifen Äpfel heran. Ohne den Einsatz der Bienen also keine Äpfel.

Was bleibt, ist die Hoffnung auf Sonnenstrahlen. Damit Bauer Lefers eine Vollernte einfährt, müssen mindestens fünf Prozent der Blüten auf seinen Plantagen von den Bienen befruchtet werden. Etwa eine Woche gibt Lefers der launigen Natur noch. "Aber dann muss es langsam vorangehen und das Wetter besser werden", sagt er.

Auch Wolfram Klein, Berater und Bienenfachmann von der Obstbauversuchsanstalt in Jork, will noch keine voreiligen Schlüsse ziehen. "Es kann sich noch alles zurecht laufen", sagt er. Eine unbefruchtete Blüte blühe relativ lange. Und es reiche schon, wenn die Temperatur nur an ein paar Tagen richtig ansteige. Das hat auch die Kirschblüte gezeigt, die ein paar Wochen früher als die Apfelblüte einsetzt: Beim T-Shirt-Wetter an wenigen Tagen mit etwa 20 Grad im April flogen die Bienen zur Bestäubung der Blüten aus. Auf solche Tage hoffen nun die Bauern für ihre Apfelblüte.

Nicht nur die Bienen, die bei der Kälte ihre Flügel schonen, sondern auch die geringe Blütenmenge in diesem Jahr bereiten den Bauern im Alten Land Kopfschmerzen. Besonders die Apfelbäume, die die Sorte Elstar tragen, blühen zu wenig auf. Klein: "Da muss schon ein Wunder geschehen, damit es noch eine normale Elstar-Ernte gibt." Das liegt an der Rekordeinfuhr im vergangenen Jahr. Insgesamt 350 000 Tonnen sind 2009 aus dem Alten Land in den Handel gegangen.

So viel wie noch nie. Üblicherweise werden jedes Jahr durchschnittlich 300 000 Tonnen Äpfel geerntet. Bäume, die reichlich getragen haben - und das waren 2009 vor allem die der Sorte Elstar - setzen ein Jahr später aus, um sich vor Erschöpfung zu schützen. "Ein Jahr fix und ein anderes Jahr nix", sagt Bauer Lefers.

Ideale Blüh- und Wachstumsbedingungen bescherten dem Alten Land das Rekordergebnis. Genau das fehlt dem Obstanbau in diesem Jahr. Die Kälte setzte manchen Bäumen bisweilen so zu, dass ganze Blütenbüsche ausgefallen sind, hat Obstanbauberater Klein auf seinen Streifzügen durch das Alte Land festgestellt. Und jetzt noch die Probleme mit den Bienen, die nicht fliegen. Zehn Bienenvölker stehen in grünen Kästen zwischen den Apfelbaumreihen von Bauer Lefers. Aber vom tiefen Summen und Sirren, das normalerweise die Luft erfüllt, ist nichts zu hören.

Doch Lars Kremp, Vorsitzender des Kreisimkervereins Stade, mahnt zur Geduld. Er ist überzeugt, dass die emsigen Insekten ihre Arbeit noch nachholen werden. Zurzeit kümmerten sie sich um ihre Brut, sagt Kremp. "Bereits jetzt gibt es starke Völker und überladene Batterien", so der Vorsitzende des Kreisimkervereins. "Wenn wir nur wenige Stunden Sonne haben, fliegen die Bienen alle los und leisten das bisher Versäumte."

Damit die Bienen auch genügend Zeit haben, um ihre Arbeit nachzuholen, lassen die Imker ihre Bienen jetzt länger bei den Bauern. "Frühestens am 21. Mai werden die Bienenvölker auswandern", sagt der Imker. Wer seine Völker allerdings erst zur Obstblüte mitzunehmen und dann zur Rapsblüte bringen wollte, muss den ehrgeizigen Plan jetzt fallen lassen. "Es geht in diesem Jahr nicht beides", sagt Kremp.

Obstbauer Lefers hat ohnehin vor, sich von den Imkern und den Honigbienen unabhängiger zu machen. Die Tage der Ungewissheit haben ihn dazu bewogen, mehr für Wildbienen zu tun. Charaktereigenschaften wie die der Mauerbiene gefallen ihm. Sie gilt als fleißig und unempfindlich. Vor allem aber fliegt sie schon bei niedrigeren Temperaturen als die Honigbiene.

Von Insekten solcher Art hätte er gerne mehr auf seinem Hof. Lefers will daher umdenken und sich eine "ganzheitliche Betrachtung der Natur" angewöhnen. Dazu gehören aus seiner Sicht eben auch die Wildbienen. "Wir dürfen nicht einfach nur Monokulturen schaffen, sondern müssen den Wildinsekten auch eine Nahrungsgrundlage bieten", sagt er.

Der Bauer will jetzt zur Tat schreiten und die Wildbienen auf seinem Obstanbau durch den Winter bringen. Dazu will er Bienenweiden etwa mit Raps auf seinem 14 Hektar großen Gelände anlegen. "Das kostet nicht viel Geld. Man muss nur daran denken", sagt Lefers. Ganz auf die Honigbienenvölker zu verzichten, kommt für ihn jedoch nicht in Frage.

Auch wenn deren empfindliche Ader ihm viel Arbeit bereitet. Der Obstbauer kann seine Apfelplantagen beispielsweise nur noch nachts gegen Schädlinge mit Insektiziden spritzen. "Wenn die Bienen am Tage kalten Nebel abbekommen, kommen sie gar nicht mehr nach Hause", sagt Lefers. In seinen Augen sind die Honigbienen schlichtweg Memmen. Lefers: "Wenn du bei denen einmal Buh machst, fallen die schon tot um. Die Wildbienen sind da hart gesottener." Die Spezies kann sich da gleich zu den Touristen gesellen. Sie trotzen ebenso dem kühlen Wetter.

Wie in den Jahren zuvor fallen die Urlauber in die Region ein. Der Tourismusverband Landkreis Stade hat im Boommonat Mai keine Einbußen zu verzeichnen. "Der Ansturm ist nach wie vor ungebrochen", sagt Birte Bolduan, Sprecherin des Verbands. Die Touristen hätten ihre Unterkünfte bislang nicht storniert. Sie rechnet mit ähnlichen Übernachtungszahlen wie im vergangenen Jahr. 2009 bereisten im Blütenmonat rund 42 000 Touristen das Alte Land.

Die Tagesgäste lassen sich offenbar ebenso wenig von den niedrigen Temperaturen abschrecken. Im Schnitt bereisten täglich 200 Gäste das Alte Land zu Beginn der Apfelblüte in der vergangenen Woche. Das seien nicht weniger gewesen als im Vorjahr, sagt Ana Breckwoldt, Geschäftsführerin vom Tourismusverein Altes Land.

Auch Bauer Lefers erwartet am Nachmittag vier Busladungen voll mit Gästen. "Die kommen immer", sagt Lefers. Einziger Wermutstropfen: Das sonst so übliche rosafarbene Blütenmeer im Alten Land finden sie nicht vor.