Sogar in Kindergärten soll jetzt zertifizierter Fisch auf den Speiseplan kommen. Doch die gewünschte Nachhaltigkeit kann teuer werden.

Harburg/Wilhelmsburg. Mmmhhh, wie lecker: Ein knusprig paniertes Alaskaseelachsfilet mit Remoulade und Bratkartoffeln. Sich richtig was gönnen mit einer ordentlichen Portion gesundem Fisch. Verlockende Kombination. Dem kann kaum einer widerstehen. Denn rund 15 Kilogramm Fisch isst jeder Deutsche pro Jahr. Am liebsten hat er Alaskaseelachs, Hering, Lachs, Thunfisch und Pangasius auf dem Teller. Doch zahlreiche Bestände unserer Lieblingsfischsorten sind gefährdet. Umweltschutzorganisationen wollen dagegen steuern und dem letzten, aber dem mächtigsten Glied in der Kette, nämlich dem Verbraucher, Orientierung geben. Und ist ein msc-Siegel direkt auf dem Produkt platziert, braucht der Verbraucher sich gar keine Gedanken mehr zu machen. Keine Frage: Mit dem Kauf macht er alles richtig. Er ist ein guter Konsument. Aber das eingeführte msc-Siegel und die Ratgeber der Umweltschutzorganisationen sorgen häufig für Unklarheiten und Schwierigkeiten in der Umsetzung.

Sandra Kess (45), vom Fisch Informationszentrum e.V. (FIZ) informiert alle Interessierten vom Verbraucher bis zum Händler. "Es ist allemal ein wachsendes Bewusstsein der Verbraucher zu erkennen." Und dies bei wachsender Unsicherheit, welchen Fisch man noch essen könne. Sie verweise dann immer auf eine bestimmte Internetseite, die eine wissenschaftliche Basis biete. Und "im Endeffekt vertrauen da Greenpeace und WWF auch drauf".

Mit wissenschaftlichen Erkenntnissen beantwortet Hans-Reimer Schumacher, 61, Inhaber des "Fischhaus Schumacher" in Wilhelmsburg die Fragen seiner Kunden nicht. Er weiß souverän und "mit Bauchgefühl", welcher Fisch "Saisonfisch" ist. Um Siegel und Reglementierungen kümmert er sich wenig. Er habe gehört, dass es "so eine Liste von Greenpeace" geben soll. "Die würde ich gern mal sehen", sagt er. Die Durchsetzung der Forderungen nach dem Verkauf von zertifizierten Fisch sieht er auch skeptisch: "Dann dürften Autohändler auch keine Autos mehr verkaufen", sagt er und weiß um die Probleme, die die nachhaltige Fischerei mit sich bringt. "Für den Fischhandel ist es äußerst schwierig, auf bestimmte Dinge zu verzichten", so Schumacher.

Andrea Dethlefsen, 45, Inhaberin vom Fischhaus "Mimi Kirchner" in Harburg hingegen sieht die Lage für sich als Einzelhändlerin differenzierter. Viele ihrer Großhändler seien zertifiziert und die Matjes, die sie bei sich im Laden führe auch. Das msc-Siegel zu erhalten, erfordert allerdings ein mehrstufiges Zertifizierungsverfahren, welches außerdem Geld kostet. "Für größere Firmen lohnt sich das, vor allem als Werbung, aber kleinere Läden können nicht konkurrieren." Dennoch läge es auch in ihrem Interesse, die nachhaltige Fischerei zu fördern und da könne man vieles machen.

"Ja, Da kann man viel machen", dachte sich auch die Diplom-Ökothrophologin Tanja Lau, 43. Sie ist in der Kita Otto-Brenner-Straße in Wilhelmsburg für den Energienachschub der Kleinen zuständig. Doch im Moment wird ihr das Streben nach nachhaltiger Fischerei manchmal zum Verhängnis bei der Zusammenstellung des Speiseplans in der Kita. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung bietet in einigen Kitas die "Gesund-Essen Aktion - FIT KID" an. Mit dieser Initiative soll in Kitas, ein "vollwertiges Verpflegungsangebot" bereitgestellt werden. Vollwertig bedeutet natürlich auch Fisch auf dem Speiseplan der Kleinen zu platzieren - zertifizierten Fisch.

Die Ernährungsberaterin will aufgeklärt werden, fühlt sich im Dschungel der Nachhaltigkeits-Führer allerdings verloren. Sie will ihren Schützlingen etwas Gutes tun und gleichzeitig dem Reglement der Umweltschutzverbände genügen. "Weniger ist manchmal mehr, die einfachen Lebensmittel sind die guten." So wie das unbelassene "Naturprodukt Fisch". Von Zeit zu Zeit gucke sie sich bei der Zusammenstellung der Speisenpläne die Fisch-Ratgeber von WWF und Greenpeace im Internet an. Allerdings mit der Erkenntnis, dass sie sich widersprechen. "Da ist das msc-Siegel eigentlich schon ein klasse Anhaltspunkt", so Tanja Lau.

Doch wenn sie im Speisenplan konsequent Fisch aus nachhaltiger Fischerei aufführen würde, hätte sie vielerlei Probleme. Kinder sind von Natur aus kleine Gourmets: Der Fisch darf beispielsweise nicht so viele Gräten haben. Und für das Unternehmen Kita auch wichtig: "Bezahlbar muss es ja auch sein."

In der Kita Otto-Brenner Straße wird versucht, gleichzeitig dem kleinen Gaumen, der Finanzlage und auch der Umwelt gerecht zu werden. Denn beim Blick auf den Speiseplan der Kleinen fällt auf: Hier wird sich Mühe gegeben, Fisch mit msc-Siegel oder "bio" anzubieten. Dennoch stoßen dem nachhaltig orientierten Betrachter ab und zu Gerichte wie "Spaghetti mit Thunfischsoße" auf. Ohne msc-Siegel, ohne Biovermerk. "Manchmal scheitert es. Da haben wir tolle Rezepte, aber einfach keinen msc-Fisch. Manchmal bekomme ich Thunfisch in einer kleinen Dose mit Siegel, aber wir hier als Großverbraucher bekommen den nicht ", sagt Tanja Lau, ein wenig niedergeschlagen. Und fügt mit ganz viel Bedauern hinzu: "Wenn ich könnte, wie ich wollte, würde ich ausschließlich Bio und msc-Produkte nehmen."