Hamburg. Notfallmediziner erklärt, warum die ersten Minuten entscheidend sind. Welche Lieder bei der Herzdruckmassage den Takt vorgeben.

Gerade ist die bundesweite „Woche der Wiederbelebung“ zu Ende gegangen, in der auch das Hamburger Abendblatt gemeinsam mit dem Asklepios Klinikkonzern den „Lebensretterpreis 2023“ vergeben hat. Ausgezeichnet haben wir Hamburgerinnen und Hamburger, die in einem Notfall schnell und mutig reagiert haben. Das Motto: Jeder/jede kann Leben retten. Doch was, wenn man sich einfach nicht traut?

„Einfach machen“, sagt Dr. Michael Kern. „Man kann wirklich gar nichts falsch machen. Schaden wird man dem Patienten nur, wenn man nichts tut“, sagt der Oberarzt für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin sowie Schmerz- und Palliativmedizin vom Asklepios Klinikum Harburg. Im schlimmsten Fall breche man dem Patienten bei der Herzdruckmassage eine Rippe. „Aber selbst das kommt äußerst selten vor und ist nicht gravierend in einem Notfall.“

Erste Hilfe – Hamburger Oberarzt: „Zügig mit Herzdruckmassage beginnen“

Ersthelfer seien so entscheidend, weil es im Schnitt doch etwa acht Minuten dauere, bis der Notarzt vor Ort sei. „Doch schon nach drei bis fünf Minuten können bleibende Hirnschäden entstehen“, sagt der Notfallmediziner. Grundsätzlich gelte in einem Notfall der Dreiklang „prüfen, rufen, drücken“: „Zunächst prüft man, ob der bewusstlose Partner, Freund, Kollege ansprechbar ist und atmet. So oder so sollte man dann umgehend die übrigens in ganz Europa gültige Nummer 112 rufen und möglichst zügig mit der Herzdruckmassage beginnen.“

Ein Tipp des Notfallmediziners: „Stellen Sie Ihr Handy unbedingt auf Lautsprecher. Die Kollegen aus der Leitstelle führen Sie durch die Situation und geben Ihnen entsprechende Anweisungen.“ An sich sei die Herzdruckmassage nicht schwierig. Man suche die Mitte des Brustkorbs, lege eine Hand direkt dorthin, die andere darüber. Dann drücke man den Brustkorb des Patienten mit durchgestreckten Armen senkrecht ungefähr fünf Zentimeter ein. „Ja, das geht in die Arme, das kostet Kraft“, sagt der gebürtige Lübecker, der schon als kleiner Junge (Vater war Chirurg und ebenfalls Notarzt) wusste, dass er Notfallmediziner werden wollte.

Erste Hilfe: „Stayin‘ Alive“ und „Atemlos“ geben bei Reanimation den Takt vor

„Ich selbst summe dabei tatsächlich Stayin‘ Alive von den Bee Gees“, sagt der Mediziner, der in Göttingen studiert hat. Aber auch Helene Fischers Hit „Atemlos“ oder „Highway to Hell“ geben den richtigen Rhythmus vor. „Im Prinzip ist nur wichtig, dass wir 100-mal pro Minute den Brustkorb komprimieren.“

Doch was ist eigentlich mit der Mund-zu-Mund-Beatmung? „Davon ist man ein bisschen weg, weil wir festgestellt haben, dass die Hemmschwelle dadurch sehr hoch ist und viele Menschen dann gar nichts tun“, sagt Dr. Michael Kern. „Die Herzdruckmassage ist deutlich wichtiger für das Überleben – und deshalb liegt darauf der Fokus.“

Erste-Hilfe: Kurse speziell für frischgebackene Eltern sind zu empfehlen

Das Erste-Hilfe-Wissen ab und zu aufzufrischen, sei immer eine gute Idee. Auch Notfallkurse speziell für Eltern von kleinen Kindern (Wie reagiere ich, wenn sich das Kind verschluckt?) seien zu empfehlen. Denn tatsächlich geht es ja nicht in jedem Notfall um Wiederbelebung. „Das ist richtig. Gerufen werden wir am häufigsten, weil ein Patient starke Brustschmerzen verspürt“, sagt der Notarzt.

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Beobachte man beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit einen Fahrradunfall, bei dem das Opfer ansprechbar, aber verletzt sei, solle man bitte sofort die 112 rufen. „Und dann hilft es meist schon, da zu sein und zu signalisieren: Du bist nicht allein hier, es kommt Hilfe.“