Helmut Greve wird morgen 90 Jahre alt. Er und seine Frau Hannelore sind Stifter aus Leidenschaft. “Wir haben uns nie beirren lassen.“

Hamburg. "Jetzt bin ich vom Bildungsnotstand überzeugt", sagte Helmut Greve, Unternehmer und Mäzen, lakonisch, nachdem er und seine Frau von Studenten mit Farbbeuteln beworfen worden waren. Das war 1994, als das Stifterpaar bekannt gab, der Universität zwei Flügelbauten schenken zu wollen, für umgerechnet 35 Millionen Euro. Hannelore Greve ergänzt: "Man muss sich abgewöhnen, darüber nachzudenken, warum einer dies tut oder der andere das. Wir haben uns nie beirren lassen."

Im Konferenzraum im 15. Stock der AlsterCity am Osterbekkanal an der Stirnwand ein Stammbaum, der über die van der Smissens zurückreicht bis ins Jahr 1344 - "die Familie ist etwa so alt wie das Matthiae-Mahl, das auf 1356 datiert wird", sagt Helmut Greve. Versammelt sind zum Gespräch: Helmut Greve, Hannelore Greve, die jüngste ihrer drei Töchter, Eva-Maria Greve, die mit Ralph Ulrich Knist den Vorstand der Dr. Helmut Greve Bau- und Boden-Aktiengesellschaft bildet, dazu Heimo Reinitzer, Präsident der von den Greves unterstützten Akademie der Wissenschaften, und Jürgen Simon, der die gemeinnützigen Aktivitäten der Familie koordiniert.

+++ Ehrenvoller Empfang für Hannelore Greve +++

Am Sonnabend wird Helmut Greve 90 Jahre alt, seine Frau hat im November 2011 ihr 85. Lebensjahr vollendet. Gemeinsam haben sie in der Stadt, deren Ehrenbürger sie 2005 wurden, viel bewegt. Und tun es bis heute. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der sie fast jeden Tag in ihre Büros kommen. Hannelore Greve war länger als zehn Jahre Vorstandsvorsitzende der AG, erst kürzlich hat sie den Vorsitz des Aufsichtsrats übernommen.

Die Greves - das ist ein perfekt eingespieltes Erfolgsmodell seit 68 Jahren, seit ihrer Hochzeit im Kriegsjahr 1944. "Wir haben immer alles gemeinsam besprochen und entschieden", sagt er. "Er ist der kühle Rechner, ich habe mein Gefühl für Schönheit - und dass gut wird, was da entstehen soll", sagt sie.

Helmut Greve ist Urhamburger, aus einer Mennoniten-Familie, die in den 1690er-Jahren einwanderte. Die Zugehörigkeit zu dieser evangelischen Friedenskirche, die sich auf die menschenfreundlichen Grundsätze der Bergpredigt beruft, prägt sein Handeln.

Sein Vater war Kaufmann, sein Onkel Teilhaber einer Pumpenfabrik, die 1943 im Feuersturm verglüht. Tief erschüttert überlebt Greve den Krieg, "und mit viel Glück". Das hat er auch, als er beim Tanzen seine spätere Frau kennenlernt. Sie hat schon dafür gesorgt, dass sie von keinem andern aufgefordert wird. "Strategie ist wichtig", sagt sie mit einem Lächeln. Er begleitet sie nach Hause, kann sie deshalb wiederfinden und in Wesel heiraten.

Nach dem Krieg studiert er Jura, promoviert. Zwei Grundstücke hat er geerbt; am Hohenzollernring in Altona kauft er ein Trümmergrundstück und baut seine ersten 14 Wohnungen. Wohnungen sind gefragt. Die Greves bauen, vermieten, wirtschaften sparsam, kaufen Grundstücke, bringen ein eindrucksvolles Immobilienvermögen zusammen. Als in den 60er- und 70er-Jahren die City Nord gebaut wird, sind sie mit drei Bürokomplexen dabei. Später gehören Greves zu den größten Anbietern von Büroflächen in Hamburg.

Doch wer sie nur als Immobilieninvestoren sieht, wird ihrem Unternehmergeist nicht gerecht: In 45 Geschäftsfeldern sind sie aktiv, 2000 Angestellte. Zum "Haus Greve", wie Vorstand Ralph Ulrich Knist respektvoll sagt, gehören Wohnungen, Büros, Ladenpassagen, Seniorenresidenzen, ein Sportpark, Hotels, das New Living Home in Lokstedt, aber auch Alpha Com, eine Firma, die sich um Dokumentenmanagement kümmert. Oder, ganz neu, das Auktionshaus City Nord. Und natürlich Hannelore Greves Haus für englische Stilmöbel in der City Nord. Zahlen? Man ist diskret. "Wir sind ein inhabergeführtes Unternehmen mit schlanken Strukturen und schnellen, verlässlichen Entscheidungen", sagt Knist.

Was die Greves anpacken, ist selten klein. Sie denken groß, praktisch, effizient. "Und wenn Menschen in Not sind, hat man zu helfen", sagt Hannelore Greve. "So einfach ist das."

Als Vorstand eines mennonitischen deutsch-niederländischen Hilfswerks hat Greve in Paraguay große Not gesehen. Später errichtet er ein eigenes Hilfswerk, es ist in Paraguay, Bolivien und Kenia aktiv. Er hilft in Bosnien, in Ungarn bedankt er sich mit einer Millionenspende dafür, dass das Land beim Niederreißen des Eisernen Vorhangs half. Seit 1991 ist Helmut Greve Ungarns Honorargeneralkonsul.

Vor allem aber in Hamburg setzen die Greves Zeichen. Sie helfen 2007 der Akademie der Wissenschaften auf den Weg, loben alle zwei Jahre den mit 100 000 Euro dotierten Hamburger Wissenschaftspreis aus. Und den Hannelore-Greve-Literaturpreis: 25 000 Euro. Gründen die Hamburgische Stiftung für Wissenschaften, Entwicklung und Kultur. Fördern das Haus Rissen und das Institut für Friedensforschung.

"Bis zu 100 Millionen Mark", damit überraschen sie 1994 den damaligen Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) bei einem Abendessen, möchten sie in Hamburg für das Gemeinwohl spenden. Daraus werden die Flügelbauten rechts und links des Hauptgebäudes der Universität. Die Musikhochschule bekommt ein neues Bibliotheksgebäude und die Restaurierung ihrer historischen Räume. Für die Elbphilharmonie sagten sie Bürgermeister Ole von Beust (CDU) 30 Millionen Euro zu.

Gerade erst erklärten sie sich bereit, zwischen Logenhaus und Staatsbibliothek an der Moorweidenstraße ein weiteres Universitätsgebäude zu stiften. Die Pläne stocken über etlichen Einwänden, so wie fast jedes ihrer Projekte anfangs von Misstrauen begleitet ist. "Es gibt immer Leute", sagt Hannelore Greve, "die gegen alles sind. Wenn man sich danach richten würde, müsste man ganz aufgeben, etwas zu tun." Sie wollen helfen, "aber schon so", sagt sie, "wie das unseren Vorstellungen entspricht und der Sache dienlich ist. Oder wir haben es ganz gelassen."

Sollten sie sich ärgern, bleibt das unhörbar. "Dazu wollen die Eheleute Greve im Augenblick nichts sagen", heißt es dann. Zum geplanten Neubau etwa. Oder zur Elbphilharmonie: "Dazu äußern wir uns wieder, wenn die Akustik stimmt und das Eröffnungskonzert bevorsteht."

Auch über die Vielzahl ihrer Ehrungen wird nicht geredet. Ehrendoktor, Ehrenprofessor, Ehrensenator von Universität und Musikhochschule, großes Bundesverdienstkreuz, Ehrenbürger der Stadt Hamburg - keiner steht dem anderen nach. Stolz ist da weniger zu spüren, eher die Freude darüber, so viel Gutes gemeinsam bewirkt zu haben.

Beide arbeiten an dem Ziel, dass das Unternehmen "über Generationen hinweg erhalten bleibt, um damit für die Allgemeinheit das Optimale zu schaffen." Das ist den Greves wichtig. "Dass auch in Zukunft unsere Mittel in unserem Geist verwendet werden."