The Flying Grandpas feiern bald 50. Geburtstag. Ein Trampolin-Talent fährt sogar zur WM. Bis zu zehn Auftritte absolvieren die Männer jedes Jahr, weltweit – Deutschland, Holland, Belgien, Nordirland.

Hamburg. Die undankbare Rolle des Trottels übernimmt Wolfgang Koellner. Der Polizist bleibt am zwei Meter hohen Sprungbock hängen, scheitert am Salto, fällt vom mannshohen Sprungtisch. Um ihn herum sausen waghalsige Stuntmen – scheinbar im Greisenalter – durch die Luft. Koellner trägt’s mit Fassung: „Wenn du Spaß haben willst, ist das hier die beste Rolle.“ Eine mit Mut zur Selbstironie.

Sekunden zuvor hatte der 50-Jährige das braune zerschlissene Leder des auf lange Stelzen aufgebockten Turngerätes geräuschvoll gerammt – mit Absicht. „Die Schultern müssen auf dieser Höhe sein“, ruft er einem Kollegen noch zu, bevor sich plötzlich ein anderer Springer wie ein Schatten auf ihn stürzt, auf seinen Schultern Schwung holt und fünf Meter weiter nach mehreren Überschlägen auf einer Matte zum Stehen kommt. Ein Routinesprung.

Die Höhenflüge werden in einer Sporthalle auf dem Polizeigelände an der Carl-Cohn-Straße in Winterhude geübt. Hier trainieren The Flying Grandpas für die Hamburger Polizeishow. Und die Zeit wird langsam knapp. Vier Auftritte und eine Generalprobe hat die 15-köpfige Truppe von Freitag an innerhalb von nur zwei Tagen zu absolvieren – nicht zum ersten Mal. Die Geschichte der Trampolin-Springer, die sich aus aktiven und pensionierten Polizisten zusammensetzt, ist eng mit der Polizeishow verknüpft. „Eigentlich könnte man sagen, die Polizeishow ist erst aus uns hervorgegangen“, sagt Helge Westphal, 45, der Chef der Truppe. Im alten Volksparkstadion habe sie ihre ersten Auftritte gehabt, bevor daraus die Polizeishow entstand.

1964 gegründet, erleben die Flying Grandpas nächstes Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Ihre kräftezehrende Darbietung nennen sie selbst eine „unmögliche clowneske artistische Trampolinshow“. Das lederbezogene Gebälk, das am Freitag in die Alsterdorfer Sporthalle umziehen wird, ist mindestens ebenso alt, wahrscheinlich noch viel älter.

„Hier, der Sprungtisch“, sagt Westphal, „der ist schon antik. Den findest du so nicht mehr.“ Bei jedem Durchgang ächzt das lackierte Holz. Gepaart mit modernen Trampolins ergibt sich eine Sprungstrecke für Waghalsige: Eine 13 Meter lange Konstruktion, die Sprünge weit über den mit Matten ausgelegten Bereich ermöglichen würde. „Bis auf Kleinigkeiten wurde die Anlage nicht verändert.“

Vorturner Jörg Lietzau, 44, ein Riese in schwarzen Ballettschuhen und hier nur liebevoll „Fleisch“ genannt, treibt die Truppe über den Parcours. In der Show spielt er einen Hauptmann mit Pickelhaube, der seine scheinbar gebrechlichen Sprungkollegen, in der Show allesamt mit angeklebtem Kaiser-Wilhelm-Zwirbel-Bart, über den Bock treibt und den Polizisten Koellner, der einen zunächst unbeholfenen Polizisten spielt, piesackt. „Es ist nicht schwer, lustig zu sein“, sagt Koellner im verschwitzten Trainingsanzug. „Und es ist ein schöner Ausgleich zum doch sehr ernsten Geschäft als Polizist.“ Sein Dienstort ist das Polizeikommissariat25 in Bahrenfeld. Viele andere kommen aus der Bereitschaftspolizei. Nur Kriminalisten sind leider keine dabei.

Das Trainingsgerät an seine Grenzen zu bringen, traut sich allerdings nur einer: Daniel Schmidt. Der 22 Jahre alte Hamburger Bereitschaftspolizist ist das größte deutsche Talent im Trampolinturnen und bereitet sich neben der Polizeishow auch auf seinen Einsatz bei der Weltmeisterschaft in Bulgarien vor, in den Disziplinen Synchronspringen und Großgerät. „Für mich ist es der Spaß nebenbei“, sagt Daniel etwas übernächtigt. Seine Einheit, die zweite Hundertschaft der Bereitschaftspolizei, war am Vorabend bei einer Spontandemo linker Gruppen in Eimsbüttel eingesetzt.

In der Show hat er ein Soloprogramm, das er im Training routiniert abspult. Immer höher lässt er sich vom Trampolin in die Luft schleudern, bis er fast die Deckenverkleidung berührt. Immer unter den Augen von Olaf Schmidt, Vater und Trainer, und selbst mal Vizeweltmeister. Bis vor ein paar Jahren war auch Großvater Peter dabei. Drei Generationen Flying Grandpas.

Kein Einzelfall: Vier Jahre vor Helge Westphals Geburt begann Vater Dieter seine Trampolin-Karriere. Dieter, genannt „Vaddi“, ist noch dabei. Im nächsten Jahr will er aufhören. Mit dem Polizeidienst ist schon seit sechs Jahren Schluss. Nach neun Jahren als Chef der Truppe übergab er das Zepter an Sohn Helge, der 1988 zur Polizei kam und ein Jahr später seinen ersten Auftritt hatte.

Die Terminliste für die Zeit nach der Polizeishow am Wochenende ist lang. Bis zu zehn Auftritte absolvieren die Männer jedes Jahr, weltweit – Deutschland, Holland, Belgien, Nordirland. Auf einen Auftritt sind sie besonders stolz: Die Royal Nova Scotia International Tattoo in Halifax (Kanada), eine der größten Militärmusikshows.

Alle zwei Jahre gehören die Flying Grandpas dort zum Hauptprogramm und werden von den Kanadiern regelmäßig zum Publikumsliebling gewählt. „Kurz vor unserem Auftritt ist es ganz dunkel in der Halle. Und dann heißt es laut: ‚They are back‘“, sagt Westphal junior. „Gänsehaut pur!“