Ivan Khotulev leitet das russische Generalkonsulat in Hamburg – das gibt es seit 1709. Der 53-Jährige, schon von der Statur her würdiger Vertreter einer Supermacht, hat eine Menge Veränderungen erlebt.

Hamburg. Schlange stehen ist selten geworden vor dem Generalkonsulat der Russischen Föderation an der Ecke Herbert-Weichmann-Straße/Am Feenteich auf der Uhlenhorst. Das liegt auch daran, dass man jetzt Visa am Theresienstieg beantragen kann; nur drei Minuten zu Fuß sind es bis zum Visazentrum. Der geprüfte Antrag wird dann ans Konsulat weitergeleitet und dort entschieden. „Fast 50.000 Visa, darunter 33.000 Touristenvisa, haben wir hier allein 2012 ausgestellt“, sagt Ivan Khotulev, der russische Generalkonsul; er ist spürbar froh, dass der gefühlte Belagerungszustand vorüber ist.

Am liebsten wäre er die Visumspflicht zwischen der EU und Russland vollständig los: „Die Visa sind längst zu einem Hindernis für persönliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Beziehungen zwischen unseren Ländern geworden.“ Längst sei für die Abschaffung ein Katalog notwendiger Maßnahmen mit der EU ausgehandelt, der schrittweise erfüllt werde. „Visa-Freiheit wäre ein starkes Signal an die Bevölkerung, dass es ernst gemeint ist mit der Partnerschaft zwischen der EU und Russland, denn es würde Millionen von Bürgern direkt betreffen, die gern reisen möchten.“

Ivan Khotulev, 53, schon von der Statur her würdiger Vertreter einer Supermacht, hat eine Menge Veränderungen erlebt, bevor er am 28. Februar 2013 in Hamburg ankam, um neuer Generalkonsul der Russischen Föderation zu werden. Als er vor 31 Jahren in den Auswärtigen Dienst seines Heimatlandes eintrat, war Leonid Breshnew noch Partei- und Staatschef der damaligen Sowjetunion. Und es dauerte noch drei Jahre, bis Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei gewählt wurde.

Khotulev, Absolvent des Instituts für Internationale Beziehungen beim Außenministerium mit Spezialgebiet Deutschland, hatte da schon Deutsch gelernt. Keine ungewöhnliche Wahl, Deutsch hat in Russland, den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs zum Trotz, als Fremdsprache große Bedeutung. Schon 1983 konnte er sein Studienobjekt näher betrachten an der sowjetischen Botschaft in Ostberlin, Unter den Linden. Zur Zeit der Wende war er in Moskau, in der DDR-Abteilung, deren Gegenstand dann 1990 entfiel.

Dann folgten drei Jahre Bonn, erneut Moskau, vier Jahre Wien und fast fünfeinhalb Jahre Bulgarien, als Stellvertreter des Botschafters. Noch einmal Moskau und nun Hamburg. Hergekommen ist er mit seiner Frau Olga und mit Troscha, dem Yorkshire Terrier. Die Dienstwohnung im Konsulat ist fast fertig renoviert – da liegt die Alster doch nah für Spaziergänge mit dem Hund? „Ach, der ist ein Stubenhocker“, sagt Ivan Khotulev. Ihm selbst bleibt auch nicht viel Zeit, vom Balkon die spektakuläre Aussicht auf den Feenteich und hinüber zum Senatsgästehaus zu genießen. Manchmal zieht es ihn spätabends zur Außenalster, mit dem weiten Blick zur City und den Lichtern der Stadt.

„Ich versuche, sehr viele Termine wahrzunehmen, in Hamburg ist wirklich viel los.“ Dazu kommen noch Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bremen, für die er ebenfalls zuständig ist. „Wir schätzen, dass in ganz Deutschland dreieinhalb bis viereinhalb Millionen Menschen mit russischem Hintergrund leben, unter ihnen etwa 500.000 russische Staatsbürger.“ In Hamburg gibt es russische Supermärkte und Läden, russischsprachige Zeitungen und Zeitschriften und etliche Vereine, auch für junge Leute – wie den Kulturverein Rockfront, dessen Name mit dem Wort „Rotfront“ spielt.

Russland ist in der Forschung am neuen europäischen Röntgenlaser XFEL beteiligt, der bei Desy entsteht. „Von den 1,15 Milliarden Euro Baukosten tragen wir 23 Prozent. Russland stellt dort die zweitgrößte Forschergruppe“, sagt Khotulev stolz. Und noch ein Band gibt es seit 1957: die Städtepartnerschaft zwischen St.Petersburg und Hamburg. „Für die damaligen Verhältnisse war das eine mutige Entscheidung. Die Partnerschaft funktioniert.“

All diese Beziehungen sind alt und gewachsen, man spricht von einer 800-jährigen Geschichte. Pelze, die über Nowgorod nach Hamburg kamen, wurden von hier nach ganz Europa gehandelt. Eine russische diplomatische Mission gibt es in Hamburg seit 1709, anfangs geleitet von einem deutschen Residenten, Johann-Friedrich Bettiger. Ab 1731 gab es einen russischen Gesandten, der später Kanzler und Außenminister des russischen Imperiums wurde. Aufstieg also programmiert für Russlands Mann an der Alster? Humor hat er jedenfalls: „Schreiben Sie: Er lacht!“