Hamburg. 23-Jährige hat mehrere Millionen Follower auf Social Media: leicht war ihr Weg dahin nicht. Jetzt spricht sie auch über Schattenseiten des Jobs.

  • Lea Pietsch ist eine der erfolgreichsten Influencerinnen Deutschlands
  • Ihr Weg zum Erfolg war für die Wahl-Hamburgerin nicht immer leicht
  • Mobbing begleitete sie durch die Schulzeit – was sie jetzt anderen rät

Auf den ersten Blick wirkt Lea Pietsch freundlich, aber ein wenig zurückhaltend mit ihrer ruhigen Stimme. Die 23-Jährige erweckt den Anschein, dass sie lieber das Rampenlicht meidet, als es aktiv zu suchen. Doch das täuscht: Lea Pietsch ist mit 3,8 Millionen Followern bei TikTok und 1,3 Millionen Abonnenten bei Instagram eine der erfolgreichsten Influencerinnen und Content Creator in Hamburg.

Während sie in der HafenCity Fotos mit Abendblatt-Fotograf Thorsten Ahlf macht, positioniert Lea Pietsch ihr Handy so auf einer Parkbank, dass die Kamera ihres Smartphones auf das Fotoshooting gerichtet ist. Ihre Millionen Follower sollen einen Einblick in ihr öffentlichkeitswirksames Leben bekommen, das im Alter von 15 Jahren seinen Anfang nahm.

TikTok-Berühmtheit Lea Pietsch: Hamburgerin startete mit 15 Jahren ihre Karriere

„Ich habe mit 14 Jahren meine erste Spiegelreflexkamera bekommen und aus Spaß Best-Friends-Bilder mit einer Freundin gemacht, die wir hochgeladen haben. Die Instagram-App und später TikTok habe ich heruntergeladen, ohne meine Eltern um Erlaubnis zu fragen. Damals hatte ich gar nicht die Intention, damit Geld zu verdienen, Influencerin oder Content Creator zu werden. Diese Begriffe gab es damals gar nicht“, sagt Pietsch.

Mit jedem Post sah sie ihre Follower-Zahl wachsen. Ihr Inhalt – Neudeutsch: Content – kam offenbar an. Lea Pietsch traf den Nerv der Zeit. „Ich habe einfach zur richtigen Zeit angefangen. Es gab eine Social-Media-Welle, auf die ich dann aufgesprungen bin“, so Pietsch. 2018 realisierte sie, dass ihr Hobby das Potenzial hat, mehr zu sein als nur ein kreativer Zeitvertreib. Mode- und Kosmetikunternehmen schrieben die damals angehende Abiturientin hat, schickten ihr Klamotten. Der Traum vieler junger Frauen.

Auf TikTok berühmt – Lea Pietsch erfährt plötzlich Schattenseite ihrer Prominenz

„Das fand ich total cool: Mode for free. Kurz danach wurde ich von einer Agentur angesprochen, ob wir nicht zusammen Projekte umsetzen wollen. Da dachte ich mir: Krass, da sehen Leute Potenzial in mir“, sagt die Hamburgerin. Die Geburtsstunde ihrer Online-Karriere, die aber längst nicht jedem in ihrem Umfeld gefallen sollte.

Die plötzliche Online-Prominenz hatte für Lea Pietsch nämlich auch eine Schattenseite. An ihre Schulzeit erinnert sie sich beispielsweise nur ungern zurück. Sie sei „zierlich“ und wurde deshalb gehänselt. Laut vor der Klasse sprechen oder ihre eigene Meinung vertreten, war ihr ein Grauen. „Als dann noch die Social-Media-Karriere losging, habe ich einen weiteren Angriffspunkt geboten. Dass ich nicht so eine schöne Zeit in der Schule hatte, hing auch mit dem Thema Influencerin zusammen“, blickt Pietsch zurück.

Neben ihrer Online-Karriere hat Lea Pietsch im vergangenen Oktober ein Ernährungswissenschaftsstudium gestartet.
Neben ihrer Online-Karriere hat Lea Pietsch im vergangenen Oktober ein Ernährungswissenschaftsstudium gestartet. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Mitschüler hätten ihren Content in der Pausenhalle abgespielt, immer wieder ihren Namen durch die Gegend gerufen und Sprüche gerissen. Für ein Mädchen, das gerade mitten in der Pubertät ist, eine belastende Situation. „In meiner Altersstufe wurde ich belächelt und herablassend behandelt“, sagt Pietsch und gesteht: „Für mein jüngeres Ich war das natürlich extrem hart, aber ich habe mir immer gesagt, dass ich in der Schule bin, um zu lernen und nicht um Freunde zu finden. Lustig war aber, dass plötzlich alle, die mich vorher gehatet haben, plötzlich beim Abi-Ball Fotos mit mir wollten.“

Lea Pietsch: „Man lernt, mit dem Hass umzugehen“

All diese Erfahrungen haben Lea Pietsch stärker gemacht, wie sie sagt. „Man lernt, mit dem Hass umzugehen. Social Media war für mich und mein Selbstvertrauen die größte Bereicherung, es hat mir einen richtigen Push gegeben. Ich war früher nicht wirklich selbstbewusst, mein Selbstbewusstsein im Internet war größer als das im realen Leben. Ich kann mich heute auf Events viel besser in Gruppen integrieren als noch vor sechs, sieben Jahren.“

Einladungen zu Reisen oder Veranstaltungen bekommt sie regelmäßig. Sie wurde etwa vom Kosmetikhersteller Maybelline unmittelbar vor Beginn der Corona-Pandemie auf die Fashionweek nach New York eingeladen, Ihren 21. Geburtstag feierte sie auf dem berühmten Kultur- und Musikfestival Coachella in Kalifornien. Auch nach Dubai und Bali ging es schon. Außerdem kooperierte sie schon mit Marken wie Audi. „Manchmal muss ich mich schon kneifen. Ich habe ein Traumleben, das nicht jeder führt, was aber nicht bedeutet, dass es bei mir nicht auch Tiefpunkte gibt“, sagt Pietsch.

Diese erlebt sie hin und wieder im Alltag: „Es gibt auch unangenehme Situationen in der Stadt, wenn dir Menschen plötzlich zehn Minuten hinterherrennen, einen heimlich filmen. Das ist wirklich unangenehm. Ich will mich nicht für wer weiß wie prominent halten. Meine Millionen Follower verändern nicht die Werte, die mir wichtig sind. Ich erreiche viele Menschen, aber das macht mich nicht zu etwas Besserem.“

Was Lea Pietsch angehenden Influencern rät

Ein Wort, das die junge Wahlhamburgerin im Interview mit dem Abendblatt häufig nutzt, ist: Authentizität. Damit will sie sich von den Zehntausenden Konkurrentinnen und Konkurrenten abheben. Diesen Rat richtet sie auch an all diejenigen, die ihr nacheifern wollen.

„Ich werde oft nach dem Erfolgsgeheimnis gefragt“, gesteht Pietsch, die darauf aber keine Patentantwort hat. „Ich kann jedem nur raten, nicht auf einen Trend aufzuspringen, den man nicht fühlt, nur um vielleicht den schnellen Euro zu verdienen. Und die Erwartungshaltung sollte realistisch bleiben. Von heute auf morgen ist Erfolg nicht möglich. Es gibt immer Rückschläge“, so Lea Pietsch, deren allererstes Profil bei Instagram gehackt wurde. Weg waren auf einmal Hunderttausende Follower.

Für die nötige Bodenhaftung sorgt Lea Pietschs Familie, die in der Nähe von Salzgitter lebt, sie aber so oft es geht in der Hansestadt besucht. Vor drei Jahren zog die Influencerin aus einem kleinen Ort in der Nähe von Salzgitter in die Hansestadt. Hamburg, die sei zwar nicht unbedingt der Nabel der Influencer-Welt, habe aber durchaus Potenzial.

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Influencerin Lea Pietsch studiert Ernährungswissenschaften

Ihre Eltern sorgen auch dafür, dass sie ihr Gehalt vernünftig anlegt. Dass sie weit mehr verdient als andere in ihrem Alter, ist der Influencerin fast ein wenig unangenehm. Wie viel sie pro Jahr verdient, will sie nicht verraten. „Geld ist schön, aber bei Weitem nicht alles“, wiegelt sie ab.

Um der digitalen Welt auch mal zu entfliehen, trainiert sie dreimal pro Woche im Cheerleading-Team des HSV. „Da bin ich einfach nur Lea, nicht die Influencerin mit den Millionen Followern“, sagt Pietsch, die seit vergangenem Oktober Ernährungswissenschaften studiert. Es sei nie schlecht, einen Plan B zu haben.