Behördenchef Manfred Murck sieht eine „besorgniserregende Entwicklung“ in einem Teil der Extremistenszene. Ihre Taten seien an der „Schwelle zum Terrorismus“.

Hamburg. Nach Einschätzung des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz könnte nach den Auseinandersetzungen rund um die Rote-Flora-Demonstration kurz vor Weihnachten die Gewaltbereitschaft in der linksextremen Szene steigen. Behördenchef Manfred Murck warnt vor einer Radikalisierung einzelner Kleingruppen im gewaltorientierten linksextremen Spektrum. Murck appellierte in einem Vortrag im Polizeipräsidium aber auch an die Ermittler, bei der Betrachtung des gewaltsamen Protestes nicht die gesamte linke Szene „in Haftung“ zu nehmen.

Eine zu pauschale Sicht könne zu einer weiteren Verhärtung zwischen der linken Szene und der Polizei und zu Solidarisierungseffekten in der Szene führen. „Wir wissen, dass es in Hamburg Gruppen gibt, mit vielleicht nur drei oder fünf Personen, die in der autonomen Szene mitschwimmen, dann aber ihr eigenes Ding machen, also zum Beispiel Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge“, sagte Murck. Die Taten lägen bereits jetzt an der Schwelle zur terroristischen Gewalt.

Beispiele dafür seien die Serie von Anschlägen auf Wohnungen und Häuser von Hamburger SPD-Politikern und auf SPD-Büros im Dezember 2013, der Angriff auf das Polizeikommissariat 16 an der Lerchenstraße (St. Pauli) während der Innenministerkonferenz im Jahr 2009, das Verschicken scharfer Patronen an hochrangige Bundespolitiker zwei Jahre später oder die Lahmlegung des Berliner Nahverkehrs durch Brandsätze, ebenfalls 2011.

Gleichzeitig schränkte Hamburgs oberster Verfassungsschützer ein: „Wir gehen derzeit nicht davon aus, dass es Strukturen gibt, die man im engeren Sinne als terroristische Strukturen bezeichnen kann.“ Allerdings sehe man einzelne Personen, „in denen das angelegt ist“. Man müsse davon ausgehen, dass es Leute in der linksradikalen Szene gebe, die mittelschwere Straftaten begehen, dies aber so geheim hielten, dass noch nicht einmal ihr persönliches Umfeld oder die „Kumpels aus der Szene“ davon etwas mitbekämen.

„Es gibt Leute, die können das, und das ist ein Element zum Aufbau einer terroristischen Struktur“, sagte Murck. Laut Definition des Verfassungsschutzes ist es das Ziel solcher terroristischer Strukturen, „nachhaltig und verfestigt“ Straftaten zu begehen, um politische Ziele zu erreichen oder politische Entscheidungsträger zu beeinflussen.

Manfred Murck sprach von einer „besorgniserregenden Entwicklung“. Die Impulse dafür kämen von den sogenannten Antiimperialisten, einer wiedererstarkten Gruppe in der gewaltorientierten linksextremen Szene in Hamburg. Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes gehören etwa 60 der insgesamt 620 Hamburger Linksradikalen zu dieser Gruppe. Die Antiimperialisten seien deutlich gewaltbereiter als die zahlenmäßig viel größere Gruppe der Autonomen.