Offizielle deutsche Nominierung für Hamburger Backstein-Ensemble. In diesem Jahr kommen die Prüfer der Unesco in die Hansestadt.

Hamburg. Seit den 1990er-Jahren verfolgt Hamburg schon die Idee, seit etwa drei Jahren arbeitet die Denkmalschutzbehörde an den konkreten Bewerbungsunterlagen und wissenschaftlichen Studien. Jetzt ist die Hansestadt einen bedeutenden Schritt weitergekommen mit ihrem Ziel, dass Speicherstadt samt Kontorhausviertel und Chilehaus zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt werden.

Am Donnerstag informierte die Kultusministerkonferenz die Hamburger Behörden, dass man sich für eine Nominierung des Backstein-Ensembles entschieden habe. Das Auswärtige Amt werde daher fristgerecht zum 1. Februar einen entsprechenden Antrag bei der Unesco in Paris einreichen. Ebenfalls nominiert wurde der Naumburger Dom in Sachsen-Anhalt.

Für Hamburg wäre es das erste Weltkulturerbe – aber nicht das erste in Norddeutschland; zu den 34 Weltkulturstätten in Deutschland gehört seit 1987 auch die Lübecker Altstadt.

Zehn Bauwerke, aber auch Kulturlandschaften wie im Erzgebirge standen auf der deutschen Vorschlagsliste für zukünftige Nominierungen, die in ihrer jetzigen Form bereits 1998 aufgestellt worden war. Auf der Liste befinden sich beispielsweise noch Schloss und Altstadt in Heidelberg oder auch Stätten der Wikinger bei Schleswig.

Das Welterbe-Komitee der Organisation der Vereinten Nationen wird nun laut Kultusministerkonferenz voraussichtlich im Sommer 2015 über die Nominierung entscheiden. In diesem Jahr wird zunächst eine Unesco-Kommission nach Hamburg reisen und prüfen, ob die genannten Bauten den strengen Auflagen entsprechen. Es geht um den „außergewöhnlichen universellen Wert“, der vor Ort festgestellt werden muss.

Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) zeigte sich am Donnerstag allerdings zuversichtlich, weil viele Behördenmitarbeiter, aber auch Eigentümer der Kontorhäuser auf dieses Ziel hingearbeitet hätten: „Im Sommer 2015 werden wir wissen, ob auch die Unesco von der Bedeutung der Hamburger Speicherstadt und dem Kontorhausviertel überzeugt ist und dieses als Welterbe anerkennt.“

Ihre Vorgänger im Senat vor gut 125 Jahren dürften bei der Planung der Speicherstadt aber wohl kaum Überlegungen daran verschwendet haben, dass der bis heute weitgehend erhaltene, weltgrößte Lagerhauskomplex seiner Zeit einmal eine solche kulturelle Bedeutung erlangen würde.

Heute würde man sagen, dass die Stadt im Zuge des Zollanschlusses ans Deutsche Reich sich einen hochmodernen Logistikkomplex für ihren Freihafen geleistet hatte. Zwischen 1885 und 1927 wurden die markanten Backsteingebäude gebaut, alte Häuser wurden dazu gnadenlos abgerissen, fast 20.000 Menschen mussten sich andere Wohnorte suchen, damit Hamburger Kaufleute in dem eingezäunten Areal weiter zollfrei Waren lagern konnten.

Heute ist die Speicherstadt nicht mehr zollfreies Gebiet, aber noch immer lagern dort Teppiche oder auch Tee. Doch längst sind auf etwa der Hälfte der insgesamt rund 300.000 Quadratmeter großen Lagerflächen Restaurants, Modeunternehmen, Büros oder auch das Miniatur Wunderland eingezogen. Aktuell wird einer der alten Speicher zum ersten Hotel der Speicherstadt umgebaut. Eigentümer der alten Lagergebäude ist das Umschlagsunternehmen HHLA, das einst eigens zum Bau der Speicherstadt gegründet worden war.

Das unmittelbar benachbarte Kontorhausviertel, ebenfalls meist in Backstein erbaut, gilt indes als eines der eindrucksvollsten Stadtbilder der 1920erJahre in ganz Deutschland. Am bekanntesten ist das zwischen 1922 und 1924 gebaute Chilehaus, das von einem expressionistischen Baustil geprägt ist. Mit seinen zehn Stockwerken war das von Fritz Höger entworfene Bauwerk am Burchardplatz in der Altstadt eines der ersten Hochhäuser in Deutschland und Vorbild für viele Backsteinbauten seiner Zeit.

Sollte die Hamburger Bewerbung 2015 tatsächlich zum Erfolg führen, kämen auf die Stadt keine hohen Kosten zu, versicherte die Kulturbehörde. „Das wird überschaubar sein, wir müssen aber den Zugang für die Öffentlichkeit sicherstellen“, sagte Behördensprecher Enno Isermann. Ob dazu ein eigenes Informationszentrum gebaut wird, ist noch offen. Aber großartige Umbauten müssten nicht geplant werden, da Speicherstadt und Kontorhausviertel lange schon unter strengem Denkmalschutz stehen. Selbst die neuen Firmenschilder an den Backsteinfronten sind noch in der historischen Größe, Form und Farbe gehalten.

Die jetzige Bewerbung ist allerdings nicht der erste Versuch Hamburgs, mit einem Weltkulturerbe zu glänzen: Im Jahr 2007 sollte die Speicherstadt schon einmal angemeldet werden – doch dann gab es Befürchtungen, dass der Bau der HafenCity unter strengen Auflagen leiden könnte. „Die HafenCity hat für uns Priorität“, hieß es da noch vorsichtig in der Stadtentwicklungsbehörde.

Inzwischen ist die Hälfte des neuen Stadtteils fertig gebaut. Behördensprecher Enno Isermann: „Da sehen wir heute keine Probleme mehr.“