Am Donnerstag wird die Gaststätte auf St. Pauli wiedereröffnet. Amtsleiter: “So ein Immobiliengeschäft hat es auf St. Pauli noch nie gegeben“.

Hamburg. So still und menschenleer erscheint die geschlossene Gaststätte Zum Silbersack innen wie ein Museum rustikaler Kneipenkultur einer vergangenen Generation. An der Tür neben der Musikbox klebt ein altes Hans-Albers-Plakat. Am blank gescheuerten, abgegriffenen Tresen hängen Wimpel, Fähnchen, Karten und andere Erinnerungsstücke. Hunderte sind es wohl. Falsche Fenster, die auf Mauern gemalt sind, wirken putzig und heimelig. Doch mit wenigen Handgriffen kann die stillgelegte Kultkneipe Zum Silbersack wieder zum Leben erweckt werden. Und genau das soll nun passieren.

Die Gaststätte ist gerettet und wird am Donnerstagabend wiedereröffnet. Die neuen Eigentümer hatten zugesichert, die Gaststätte zu erhalten. Das bestätigte Gerd Thomsen, der Sohn der legendären Wirtin Erna Thomsen, dem Abendblatt. Eine Gruppe von 18 Hamburger Unternehmern hat die Immobilie, zu der die Gaststätte und ein weiteres Gebäude gehören, nach wochenlangen Verhandlungen gekauft. Damit wurde eine der ungewöhnlichsten Immobilien-Transaktionen auf St. Pauli abgeschlossen.

Mit dem Tod der Kiezwirtin Erna Thomsen erlosch die Lizenz

Der Silbersack musste Ende Mai schließen, weil nach dem Tod von Erna Thomsen , die mit 88 Jahren an Herzversagen starb, die Lizenz zum Betrieb der Gaststätte, die wegen ihrer Atmosphäre bundesweit bekannt ist, erlosch.

"So ein Immobiliengeschäft hat es auf St. Pauli noch nie gegeben", kommentiert Andy Grote, Amtsleiter im Bezirk Mitte, den Verkauf. Noch nie sei es dort gelungen, den Käufer einer Immobilie zu bewegen, eine Kultstätte zu erhalten und nicht abzureißen und nicht profitabel neu zu bauen. An der Silbersackstraße wären ein Abriss und ein Neubau möglich gewesen. Ein Investor könnte hier lukrative Eigentumswohnungen in fünf Stockwerken und im Erdgeschoss Geschäftsflächen schaffen. Er könnte jenes Schreckgespenst verwirklichen, das an anderer Stelle auf St. Pauli heftige Anwohnerproteste hervorruft.

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Gerd Thomsen, der die Verkaufsverhandlungen mit rund 30 Interessenten führte, sagt: "Weil die Käufergruppe aus 18 Personen besteht, gehe ich davon aus, dass sie auch wirklich den Silbersack erhalten werden." Wenn es nur ein einziger Käufer gewesen wäre, dann hätte man damit rechnen können, dass dieser doch das einstöckige Gebäude abreißt. Thomsen sagte: "Weiterhin wollen die neuen Eigentümer auch das Personal der Gaststätte übernehmen. Nur zwei Frauen nicht, die aus Altersgründen nicht weitermachen wollen."

Der Sohn von Erna Thomsen hatte den Erhalt der Kneipe zur Bedingung für den Verkauf gemacht und sich auch besonders für die Kneipenmannschaft eingesetzt.

Schnell fanden sich Mitstreiter. So schoss die Zahl der Mitglieder einer Facebook-Initiative zum Erhalt der Kneipe in kurzer Zeit auf mehr als 1300 Mitglieder, die sich regelmäßig vor der geschlossenen Tür des Silbersacks treffen. T-Shirts wurden gedruckt, Sponsoren gefunden, und René Achneux ("Hamburgs letzter Puffmusikant") nahm einen Song im Stil von Hans Albers auf: "Bei Erna im Silbersack".

Unter den Mitstreitern waren die Interessengemeinschaft St. Pauli, der St. Pauli Bürgerverein von 1843 und auch die Bezirksversammlung Mitte, die auf Antrag der SPD-FDP-Koalition den Amtsleiter beauftragte, sich für die Kneipe einzusetzen. Bezirksamtsleiter Andy Grote sagte dem Abendblatt: "Ich bin sehr froh und erleichtert, dass mit dem Silbersack ein unersetzbares Stück St.-Pauli-Identität gerettet werden kann. Es ist ein großartiger Erfolg, dass ein Käufer gefunden wurde, der die unveränderte Weiterführung des Silbersacks, so wie ihn alle kennen, zugesagt hat."

Gerade für den von vielfältigen Veränderungen unterworfenen Stadtteil St. Pauli sei es wichtig, dass die unverwechselbaren, den Charakter des Stadtteils prägenden Orte wie der Silbersack erhalten bleiben und keinem austauschbaren Neubau zum Opfer fallen, sagte Grote. "Ich denke, es wäre im Sinne von Erna Thomsen, dass der Silbersack bleibt, was er immer war, ein zeitloser und klassenloser Ort, offen, bunt, tolerant und Heimat für viele. Dank gebührt allen, die diese Lösung möglich gemacht haben, insbesondere der Familie Thomsen, den neuen Eigentümern, dem zukünftigen Betreiber und natürlich auch der Initiative zum Erhalt des Silbersacks."

Prominente Gäste wie Hans Albers und Curd Jürgens kamen

Viele Emotionen sind mit der Gaststätte verbunden, die mit "soliden Preisen" (0,33-Liter-Flasche Astra für 1,90 Euro) wirbt. Manche bezeichnen sie als ihr "Wohnzimmer", für andere gehört ein Besuch des Silbersacks zum St.-Pauli-Bummel dazu. Bekannt wurde das flache Gebäude mit der charismatischen Wirtin, die Erna genannt und von allen respektiert wurde.

Den Respekt hatte sich Erna Thomsen gleich nach dem Zweiten Weltkrieg erworben, als sie mit ihrem Mann das Gebäude aus Materialien baute, die auf ungewöhnliche Weise beschafft oder hergestellt wurden. Schon kurz nach der Eröffnung 1949 wurde der Silbersack das, was man später eine Szenekneipe nannte. Prominente kamen, Hans Albers, Hildegard Knef, Heinz Rühmann, Curd Jürgens. Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust sprach sogar von "meiner Lieblingskneipe".

Der Silbersack ist eine einfache, schnörkellose Kneipe in der gleichnamigen Straße, rotlichtfrei und für jeden offen. Hier findet man noch das alte St. Pauli.

Die 18 Unternehmer, die sich zum Kauf zusammengeschlossen haben, wollen sich heute vorstellen. Die Wiedereröffnungsfeier beginnt am Donnerstag um 18 Uhr.