Die Maßnahmen gegen Obdachlose unter der Kersten-Miles-Brücke sorgten im Herbst für Aufregung. So sieht die Situation jetzt aus.

Hamburg. Der Zaun , mit dem der damalige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber (SPD) vor neun Monaten die Obdachlosen von der Kersten-Miles-Brücke unweit des Bismarck-Denkmals fernhalten wollte, führte allerorts zu Empörung. Um die Situation unter der Brücke zu verbessern, wurde ein runder Tisch einberufen. Der forderte unter anderem den regelmäßigen Besuch von Sozialarbeitern und eine Toilettenanlage. Nachdem eine 500.000-Euro-Lösung nach erneuten Protesten verworfen wurde, stellte man neben der Brücke eine WC-Hütte auf. Kostenpunkt: 20 000 Euro. Das war im November. Und wie sieht es heute unter der Brücke aus? Wir haben uns umgesehen.

Obdachlose haben ihre Lager aufgeschlagen, dazwischen liegen Müll, Hausrat und Flaschen. Auch Lebensmittelreste liegen herum - sie sind ein gutes Lockmittel für Ratten. Die beiden Türen des hölzernen Toilettenhäuschens stehen sperrangelweit offen und geben den Blick frei auf zwei kleine Toilettenräume. Rechts Pissoir, links Plumpsklo, keine Waschbecken, teils obszöne Schmierereien an den Wänden, auf dem Boden versiffte Teppiche, in den Ecken Müll - kein Wunder, dass die Obdachlosen ihre Notdurft im Freien verrichten, wie ein Blick unter die Büsche in der Nähe zeigt.

"Hätten wir einen Schlüssel für das Klohäuschen, könnten wir es sauber halten", sagt Vadi, einer der Obdachlosen. Anfangs organisierten sie das Reinigen der Toiletten selber. Einer stellte einen Putzplan auf und sorgte mit seinen Kumpels dafür, dass er eingehalten wurde. Dann zog er weg. "Seitdem funktioniert es nicht mehr gut", sagt Vadi.

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Toilettenpapier und Desinfektionsmittel sollen regelmäßig von einer Sanitärfirma gestellt werden. Beauftragt hat sie die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), die für den Betrieb der Kersten-Miles-Toilette zuständig ist. "Bis jetzt wurde nur einmal Papier geliefert", sagt Vadi. Behördensprecher Frank Krippner zeigt sich überrascht. "Ein Mitarbeiter der Firma soll eigentlich im zehntägigen Rhythmus nach dem Rechten sehen", sagt er. Weil das nachweislich nicht ausreicht, will die BSU jetzt vorübergehend die Reinigung der Toiletten veranlassen.

Das wird allerdings nicht von Dauer sein, die Obdachlosen müssen das wieder selber hinkriegen - so, wie es ursprünglich vorgesehen war. Mit der Umsetzung seien die meisten von ihnen jedoch überfordert, meint Birgit Müller, Chefredakteurin des Straßenmagazins "Hinz&Kunzt". "Sie benötigen Ansprechpartner, die regelmäßig vor Ort sind und sie bei der Organisation und Durchführung ihrer Alltagsgestaltung, zu der auch die Reinigung der Toiletten gehört, unterstützen", sagt sie. "Hinz &Kunzt" hat an dem runden Tisch teilgenommen und dort die Einrichtung einer "Task Force" gefordert, eines sozialen Bereitschaftsdienstes, der sich um die Obdachlosen kümmert und zwischen ihnen und den Anwohnen vermittelt. "Wir sind enttäuscht, dass das nicht umgesetzt wurde", sagt die Journalistin. Beschwerden über die Obdachlosen unter der Bücke gibt es laut Bezirk momentan allerdings nicht.

Die Kersten-Miles-Brücke liegt dicht am Hafenrand, viele Touristen laufen daran vorbei - entweder vom Kiez runter zu den Landungsbrücken oder von Stintfang und S-Bahnhof zum Bismarck-Denkmal. Fast alle verlangsamen ihren Schritt, wenn sie auf das Obdachlosenlager zugehen, manche kehren um, andere wechseln die Straßenseite. "Die Kersten-Miles-Brücke ist leider kein gutes Beispiel für die hohe Aufenthaltsqualität Hamburgs, das nehmen unsere Gäste auch so wahr", sagt Sascha Albertsen, Sprecher von Hamburg Tourismus. "Wir sind schockiert", sagen Ernelinde Lüder, Monika Flohr und Hanne Kohlhaas aus Mainz und meinen damit die Zustände unter der Brücke, aber auch den vielen Müll rund um das Bismarck-Denkmal. "Das hier könnte ein schöner Spazierweg von Planten un Blomen zu den Landungsbrücken sein. Schade, dass es so verkommen ist."

Daran sind nicht nur die Obdachlosen schuld. Vieles, was unter der Brücke herumsteht, wurde ihnen von Gutmeinenden gespendet, doch die Menschen hier können es nicht gebrauchen. Bereits im März hatte die Stadtreinigung im Auftrag von Bezirk und Sozialbehörde Müll abtransportiert, nächste Woche ist eine neue Aktion geplant. "Wir nehmen nach Absprache mit den Obdachlosen alles mit, was nicht unbedingt gebraucht wird", sagt Reinhard Fiedler, Sprecher der Stadtreinigung. Bezirksamtsleiter Andy Grote (SPD), gerade aus dem Urlaub zurück, will sich schnell ein Bild der Lage verschaffen. "Auf dieser Grundlage muss dann überlegt werden, wie die unbefriedigende Situation verbessert werden kann", sagt er. Das gehe aber nur, wenn alle Beteiligten nachhaltig zusammenarbeiten.