Auf dem Kirchsteinbeker Marktfest war viel los am Sonnabend.Trotz großer Probleme pflegt der Billstedter Ortsteil die Dorfgemeinschaft.

Billstedt. Für die einen ist es Spaß und Entspannung, für die anderen Spaß und Stress. Während sich die Besucher des Kirchsteinbeker Marktfestes Bratwurst und Scampi schmecken ließen, der Livemusik lauschten oder an Buden und Ständen vorbeibummelten, hatten die Organisatoren am Sonnabend alle Hände voll zu tun, um den 800. Geburtstag von Kirchsteinbek auszurichten. Ein Aussteller brauchte mehr Platz, ein anderer kam nicht, die eine Band spielte zu lang, die andere hatte technische Schwierigkeiten, die Ankunft der drei Spielmannszüge musste koordiniert werden, ständig klingelte das Handy oder blieb jemand stehen, um Hallo zu sagen.

"Wir kommen erst so richtig zum Genießen, wenn das Fest schon fast wieder vorbei ist", sagt Werner Dantziger und sieht dabei richtig zufrieden aus. Denn viel um die Ohren zu haben, bedeutet, dass viel los ist auf dem Kirchsteinbeker Marktplatz. Und genau deshalb hat der pensionierte Betriebswirt das Volksfest vor fünf Jahren mit ins Leben gerufen. "Wir wollen den Platz beleben und unsere Dorfgemeinschaft zusammenhalten."

Tatsächlich hat sich Kirchsteinbek seinen Dorfcharakter auch bewahrt, nachdem es 1927 mit den Nachbardörfern Öjendorf und Schiffbek zur preußischen Großgemeinde Billstedt zusammengefasst und zehn Jahre später durch das Groß-Hamburg-Gesetz zu einem Stadtteil Hamburgs wurde. Die Bebauung ist niedrig, viele Häuser stammen noch aus der Vorkriegszeit, überragt von der schönen, 1884 erbauten Steinbeker Kirche. Die erste ihrer Vorgängerinnen wurde 1239 errichtet und gab dem Gebiet ihren Namen.

Kirchsteinbek wuchs kontinuierlich: 1664 lebten dort 175 Menschen, 1925 schon 2154, heute sind es nach Schätzungen von Dantziger 30 000 - allerdings zusammen mit der etwas entfernten Großsiedlung Mümmelmannsberg, die formal zum Ortsteil Kirchsteinbek gehört und in den 70er-Jahren errichtet wurde. "Seitdem hat sich die Bevölkerungsstruktur hier verändert", sagt Lars Reinhard, Mitorganisator des Marktfestes, der in dritter Generation einen 1932 gegründeten Friseurladen an der Steinbeker Hauptstraße führt. Es gebe mehr ausländische Mitbürger, sagt er. "In letzter Zeit sind viele jüngere Menschen zugezogen", bestätigt Reinhard. "Das ist schön, denn so ist ein buntes Miteinander entstanden."

Einer der fast 30 Sponsoren des Marktfestes ist Uwe Rütz. Er unterstützt auch die Jugendlichen im Stadtteil. Der Autohaus-Inhaber gibt Jugendlichen ohne oder mit schlechtem Hauptschulabschluss die Chance, bei ihm eine Ausbildung zu absolvieren. "Diese Region braucht Engagement", sagt Rütz. Denn die wirtschaftliche Lage Kirchsteinbeks hat sich verschlechtert. Die Geschäfte sind ausgestorben, es gibt nur noch zwei Kioske.

Einziger großer Arbeitgeber ist Hennig Neubauer, der ebenfalls unter den Marktfest-Besuchern ist: Er führt in 8. Generation die 1735 gegründete Steinbeker Mühle, in der Glimmer, Kokosnussschalen und Talkum gemahlen werden. Vor 40 Jahren, als er hierherzog, sei Kirchsteinbek noch ein funktionierender Ort gewesen, sagt Werner Dantziger. Mittlerweile sei es eine "Schlafstadt" geworden, tagsüber seien die Menschen fort, zum Arbeiten. Wochenmärkte werden daher schon länger nicht mehr auf dem Marktplatz veranstaltet. Schön, dass es jedenfalls das Marktfest gibt.