Der Schuttberg des Hauses muss erst einmal liegen bleiben - zur möglichen Beweissicherung. Behörde verdächtigt Investor des Quartiers.

Hamburg. Die Hamburger Kulturbehörde prüft rechtliche Konsequenzen gegen den Investor des sogenannten Bernhard-Nocht-Quartiers, weil Teile eines mehr als 100 Jahre alten Hauses nach Erkenntnissen der Behörde illegal abgerissen wurden. Das erklärte das Denkmalschutzamt auf Nachfrage des Abendblatts. Auch der Schuttberg mit den Trümmern des Hauses muss erst einmal liegen bleiben - zur möglichen Beweissicherung, teilte das Bezirksamt Mitte mit.

Am Freitag war eine Seitenwand des Hauses von 1890 plötzlich zusammengesackt. Die folgenden Sicherungsarbeiten hatten nach Behördenerkenntnissen zur Folge, dass am folgenden Tag das ganze Haus nicht mehr standsicher erschien und daher abgerissen werden musste.

Ausführlich erklärt das Denkmalschutzamt: "Nach dem Einsturz der Seitenwand haben wir am Freitag einem Abbruch der überhängenden Gebäudeteile (herausragende Zwischendecken) zur Sicherung zugestimmt, damit keine weiteren Bauteile beschädigt werden. Es hat dann trotzdem weit über dieses Maß hinausgehende weitere Abbrucharbeiten gegeben." In der Folge hätten die Bauprüfabteilung des Bezirks Mitte und das Denkmalschutzamt am Sonnabend festgestellt, dass der Rest des Gebäudes aus statischen und denkmalpflegerischen Gründen nicht zu halten sei. Das Denkmalamt: "Wir prüfen jetzt mögliche rechtliche Konsequenzen."

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Ein Papiertiger zeigt Zähne

Bei dem Haus handelt es sich um ein zentrales Gebäude im sogenannten "BNQ" - drei Buchstaben, die für das Bernhard-Nocht-Quartier, aber auch für einen der Motoren der "Recht-auf-Stadt-Bewegung" stehen: das Aktionsbündnis "No BNQ". Anwohner und Aktivisten haben in den vergangenen Jahren mit langwierigen Protesten erreicht, dass weniger Häuser abgerissen werden und mehr Mietwohnungen gebaut werden sollen.

Für den Investor Köhler & von Bargen Immobilien bedeutet das abgerissene Haus "ein Desaster", wie Firmenchef Helmut Köhler dem Abendblatt sagte. "Das durfte einfach nicht passieren. Wir sind geschockt. Es bedeutet erstens eine finanzielle Katastrophe, denn wir hatten schon 100 000 Euro für die Sanierung in das Haus gesteckt." Ein weiterer Schaden entstünde, weil die Arbeiten an einem denkmalgeschützten Gebäude steuerlich günstig seien und am Neubau nicht.

Die Immobilien-Firma investiert 20 Millionen Euro in das BNQ mit 13 Neubauten und Altbausanierungen. Die Vorwürfe, man habe das Haus absichtlich einstürzen lassen, weist der Investor zurück. "Es hätte für uns keinen Grund gegeben, etwas zu manipulieren. Wir haben keinen Vorteil", sagt Helmut Köhler. Ein Desaster sei es weiterhin, weil das abgebrochene Haus "Unruhe in das Quartier" bringt.

Das Aktionsbündnis "No BNQ" fragt: "Ist die Bauleitung des Bernhard-Nocht-Quartiers unfähig - oder war der Zusammenbruch der Brandschutzmauer bei dem denkmalgeschützten Haus gewollt?" Trotz massiver Bohrungen und Ausschachtungsarbeiten auf dem direkt angrenzenden Grundstück sei die Außenwand des zur Sanierung bereiten Hauses nicht abgestützt und gesichert worden.

Dem widerspricht die Immobilien-Firma. Der spätere Abriss sei von der Firma angeordnet worden, weil ein Statiker vor der Einsturzgefahr warnte. Das sei ohne Genehmigung geschehen, weil Köhler & von Bargen Immobilien am Freitag keinen Behördenvertreter erreicht habe.

Der plötzliche Abriss hat auch ein politisches Nachspiel: Der GAL-Politiker Farid Müller hat eine Kleine Anfrage zu den Hintergründen gestellt und fordert eine unabhängige Untersuchung, "weil es zu viele ungeklärte Fragen gibt", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Ein weiterer Grund sei, dass Bauprüfer des Bezirks Mitte sich in einer Untersuchung nicht selber prüfen könnten. "Das Bauamt hatte einen Vertreter vor Ort, als das Haus abgerissen wurde", sagt Farid Müller. "Die Abrissarbeiten wurden jedoch erst gestoppt, als jemand vom Denkmalschutzamt sich einschaltete."

Die Forderungen einer Anwohner-Initiative gehen noch weiter: Sie will einen sofortigen Baustopp erreichen, "um weitere Schäden in der Umgebung zu verhindern und die Verantwortlichkeit zu klären".

Der Investor Köhler & von Bargen Immobilien will ein neues Gebäude "wahrscheinlich im sozialen Wohnungsbau" errichten. Helmut Köhler: "Auch im Neubau halten wir uns an günstige Mieten."