Ein Mäzen will dem Kultwerk West das Möbel-Brandes-Gebäude am Nobistor kaufen - doch ein anderer Investor hat schon einen Vorvertrag.

Hamburg. Auf St. Pauli ist ein Wettstreit um ein Grundstück entstanden, das das Entree zur Rotlichtmeile im Westen bildet: Es geht um das sogenannte Möbel-Brandes-Grundstück, das an der Ecke Nobistor/Holstenstraße liegt und 3000 Quadratmeter groß ist. Zwei sehr unterschiedliche Kaufinteressenten bemühen sich um dieses Areal.

Auf der einen Seite steht die Firma OneVest Development mit dem CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Wankum als Geschäftsführer. Eine weitere Firma, der Wankum verbunden ist, plant dort den Neubau eines Hotels mit großer Gewerbefläche im Erdgeschoss, in die der Discounter Lidl einziehen soll. Bislang hat der Supermarkt gegenüber eine Filiale.

Auf der anderen Seite steht ein Hamburger Mäzen, der nicht genannt werden möchte. Er will ermöglichen, dass sich im alten Möbelhaus ein großes Kultur- und Kreativprojekt ansiedeln kann. Er bietet genauso viel Geld wie Wankum. Das Ideengerüst für dieses Projekt entwarfen die Macher vom Kultwerk West, die "den interessantesten Ort Hamburgs" schaffen wollen.

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Kultwerk West ist ein Veranstaltungsbetrieb, der sich mit prominent besetzten Diskussionen zu gesellschaftlichen Themen profiliert hat. Die Pläne sehen in dem bestehenden Gebäude neben Veranstaltungsräumen auch eine komplette Start-up-Etage mit Werkstätten für Mode und Design vor. "Wir wollen junge Talente entdecken und in der Stadt halten", sagt Frauke von Jaruntowski. Außerdem sollen dort Bildungsprojekte wie Fab Lab St. Pauli angesiedelt werden. In einem der Obergeschosse soll reguläre Vermietung möglich sein. Eine Freifläche hinter dem Möbelhaus, die heute als Parkplatz genutzt wird, würde mit einem Studentenwohnheim bebaut werden.

Das Grundstück ist zwar offiziell verkauft, aber nur unter Vorbehalt, wie der Eigentümer Ernst Brandes gestern dem Abendblatt sagte. Bevor die Eigentumsübertragung wirksam wird, müssten noch finanzielle und rechtliche Schritte folgen. Sollte das passieren, könnte Andreas Wankum sein Projekt verwirklichen. Das Kultwerk West wäre aus dem Rennen.

Als Kaufpreis ist die Summe von fast sechs Millionen Euro im Gespräch. Mit der Ansage "Ich finde euch großartig, und ihr braucht andere Räume" hat der Mäzen das Versprechen gegeben, den Kultwerk-West-Machern das neue Domizil zu überlassen. Er ist gewillt, den gleichen Kaufpreis zu bezahlen wie die Wankum-Gruppe, sagte Sigrid Berenberg, die Erste Vorsitzende des Kultwerks, das nach Anfängen an der Großen Bergstraße seit 2010 an der Kleinen Freiheit 42 beheimatet ist - also nur wenige Meter von der Wunschadresse entfernt.

Fakt ist, dass die erst Ende Dezember 2011 gegründete Firma NoHo I einen Bauvorbescheidsantrag vor wenigen Tagen beim Bezirk Mitte gestellt hat, um einzelne Fragen des Vorhabens klären zu lassen. Das bestätigte der Bezirk. Die NoHo I ist verbunden mit der NoHo Verwaltungs- und Projektentwicklungsgesellschaft, deren Geschäftsführer Wankum ist. Im Vorbescheidsantrag ist von einem Hotel und einer großen Gewerbefläche im Erdgeschoss die Rede.

"Wir planen ein Hotel mit 100 Zimmern zum Nobistor hin und über dem Lidl Wohnungen", erklärte Wankum. 30 Millionen Euro will die Firma nach dem Abriss des Möbelhauses in den Neubau investieren. Im Jahr 2014 soll das Hotel fertig sein.

Seit 13 Jahren steht das Möbelhaus zum Teil leer. An den Fenstern zum Nobistor hin blättert die Farbe ab. Die Fassaden machen einen traurigen Eindruck. Ein verblichenes Pappschild, das auf einen neuen Mieter hinweist, steht in einem Fenster. Die S-Bahn-Station vor dem Gebäude ist an jedem Wochenende der Startblock für Tausende von Besuchern der Amüsiermeile. Nachts lockt die China-Lounge, daneben erinnert das Beatlemania-Museum an die Anfangsjahre der Band aus Liverpool.

Im langen, schlauchartigen Erdgeschoss von Möbel Brandes sind die Fußböden zerplatzt. Von der löchrigen Decke hängen Gipsplatten, an der Seite führt eine 70er-Jahre-Treppe ins Nichts. Im unbeleuchteten hinteren Teil lagern staubige Waren, vorn hat ein Billig-Kaufhaus Bettdecken und Nippes aufgereiht. Bei Tageslicht sind selten viele Kunden in Sicht.

Trotz dieser Tristesse ist Sigrid Berenberg von dem Gebäude begeistert: "Das Möbel-Brandes-Haus ist für unsere Pläne ideal." Kultursenatorin Barbara Kisseler sieht das ähnlich: "Sowohl das Kultwerk West als auch das Fab Lab St. Pauli sind mit ihrer Arbeit an den Schnittstellen von Kultur, Bildung und Kreativwirtschaft seit Langem fest im Stadtteil verankert. Ich würde es begrüßen, wenn dieses private Engagement belohnt würde und beide Einrichtungen langfristig eine neue Heimat fänden. Mit der Ansiedlung am Nobistor würden sie gleichzeitig ein sichtbares Zeichen gegen die aktuelle Monostrukturierung setzen."

Der SPD-Stadtentwicklungsexperte Andy Grote erklärte: "Wir gehen im Moment davon aus, dass das beim Bezirk beantragte Vorhaben weiter verfolgt wird. Daran wären insbesondere die Entstehung neuer Wohnungen, die allerdings keine Eigentumswohnungen sein dürfen, und die Umsiedlung des Lidl-Markts von der Adresse Reeperbahn/Nobistor an die Holstenstraße ein echter Fortschritt. Sollte das Neubauprojekt nicht realisiert werden, wäre das Kultwerk West natürlich ein idealer Nutzer für das Gebäude."

Angetan von den Plänen ist auch Egbert Rühl, Chef der städtischen Hamburg Kreativ Gesellschaft, zu deren wichtigsten Aufgaben die Ansiedlung von Kreativen zählt: "Ich weiß noch nichts davon, aber ich finde die Arbeit vom Kultwerk West super."

Ernst Brandes zeigte sich überrascht von den Kultwerk-Plänen, bestätigte jedoch, mit dem Mäzen verhandelt zu haben. Hat der Mäzen noch eine Chance? "Rein theoretisch ja. Die haben meine Sympathie. Ich mache gern Geschäfte mit Hanseaten."