Rund 500 Betroffene kommen zur öffentlichen Anhörung des Jugendausschusses über die Sparpläne in der offenen Jugendarbeit.

Hamburg. Auch wenn es ihm nicht anzusehen war, Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) muss von dem lautstarken Protest im Rathaus beeindruckt gewesen sein. Etwa 500 Kinder, Jugendliche, Eltern sowie Mitarbeiter verschiedener Einrichtungen haben gestern Nachmittag mit Pfiffen und rhythmischem Klatschen ihren Unmut über die Sparpläne von Scheele in der offenen Kinder- und Jugendarbeit zum Ausdruck gebracht. Um zehn Prozent, das sind 3,5 Millionen Euro, will Scheele bei den sogenannten Rahmenzuweisungen an die Bezirke einsparen. Der Jugendausschuss hatte deshalb zu einer öffentlichen Anhörung geladen.

Rund 800 Menschen hatten laut Polizeiangaben bereits zuvor auf dem Rathausmarkt protestiert. Rund 300 mussten dort bleiben, da der Festsaal bereits komplett gefüllt war. Drinnen gelang es dem Ausschussvorsitzenden Gunnar Eisold (SPD) mit ruhiger Stimme, die Stimmung der Teilnehmer zu befrieden. Emotional wurde es trotzdem. "Warum nehmen Sie denjenigen die nichts haben, das, was noch geblieben ist", fragte ein Vater von drei Kindern in Richtung von Scheele. Eine Mutter fragte, warum nicht bei denen gespart werde, die viel Geld hätten. Ein Sozialarbeiter warb mit drastischen Worten für seine Arbeit. "Wenn es mir gelingt, zwei Jugendliche aus dem Morast zu holen, dann ist das ein Riesenerfolg für die Stadt." Und zwei Mädchen klagten an: "Wie können wir Kinder euch so egal sein."

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Detlef Scheele plant nicht weniger als die komplette Umgestaltung des Kinder- und Jugendhilfewesens. Die ist aus seiner Sicht nötig, um die Einsparungen durchsetzen zu können. Zwar verantwortet er mit 2,4 Milliarden Euro den zweithöchsten Einzelhaushalt in Hamburg, aber die Möglichkeiten zu sparen, sind vergleichsweise begrenzt. Allein 1,4 Milliarden Euro sind gesetzliche Leistungen wie Grundsicherung, Hilfen zur Erziehung (HZE) oder Eingliederungshilfen. Bedürftige haben darauf einen gesetzlichen Anspruch.

Einsparungen im Kita-Bereich sind politisch nicht gewollt. Im Gegenteil: Die Ausgaben steigen von rund 558 Millionen Euro auf nahezu 600 Millionen Euro im kommenden Jahr. Scheele bleibt also nur ein Teilbereich von 490 Millionen Euro, bei dem er direkt kürzen kann. 67,5 Millionen Euro sollen es im kommenden Jahr sein. Und so ist es in dieser Logik folgerichtig, dass Aufgaben der offenen Kinder- und Jugendhilfe künftig in Schulen einfließen sollen.

Weitere Einsparungen, etwa bei den gesetzlichen Leistungen, gehen ebenfalls nur über Umstrukturierungen. Diese hat Scheele für die HZE-Maßnahmen vorgesehen. Deren Kosten sind seit 2001 bis heute um gut 100 Millionen Euro auf 233 Millionen Euro angewachsen. "Geld alleine verbessert den Kinderschutz nicht", lautet deshalb Scheeles Credo. Er fordert mehr Qualität. Und so soll die Hilfe nicht mehr nur in den Familien finanziert werden, sondern auch durch Angebote im Stadtteil. Mit dieser günstigeren Maßnahme sinken aber nicht die Gesamtausgaben. Scheeles Haushalt wächst bis 2016 voraussichtlich um 300 Millionen Euro.

Joachim Gerbing, Geschäftsführer vom Verband für Offene Kinder- und Jugendarbeit, fordert, dass die Kürzungspläne zurückgenommen werden. Er vertritt 270 Einrichtungen in Hamburg, von denen laut Gerbing 54 noch nicht mal mit je einer vollen Planstelle arbeiten. Aus seiner Sicht lässt die Zusammenarbeit mit den Schulen keinen Raum für Einsparungen. Im Gegenteil. "Das bedeutet, dass wir eigentlich mehr Geld brauchen. Ich weiß nicht, wo wir noch kürzen können." Gerbing sträubt sich nicht grundsätzlich, mit Schulen zu kooperieren. Allerdings müsse es auch weiterhin Freizeitaktivitäten außerhalb von Schulen geben. "Diese Zeit wird aber durch den Ausbau der ganztägigen Bildung und Betreuung an Schulen immer kürzer", entgegnet Melanie Leonhard, jugendpolitische Sprecherin der SPD. Sie sieht daher in der Umstellung eine "Chance für die Träger, sich in der offenen Jugendarbeit zu profilieren". Christiane Blömeke (GAL) sah sich durch die Anhörung in ihrer Kritik an den Sparplänen bestätigt. "Meine Fraktion und ich lehnen die Kürzung ab." Christoph de Vries (CDU) sagte: "Die Behauptung, es gebe keinen Bedarf für die offene Kinder- und Jugendarbeit, ist falsch."

Detlef Scheele, der erst bei der Senatsbefragung am 8. Juni offiziell zu Wort kommt, sagte nach der gestrigen Sitzung, dass er die gerade geäußerten Argumente in die Entscheidungsfindung aufnehmen wolle. "Es entstand aber auch der Eindruck, dass in der offenen Kinder- und Jugendarbeit immer weiter gespart werden soll", sagte Scheele. Dies sei nicht der Fall. Die angestrebten zehn Prozent seien einmalig.