Hier spielen Geister, grüßen des Kaisers Generäle und sind Zwerge größer als Menschen

Kleine Paradiese bleiben selten unentdeckt. Wird das Fleckchen erst einmal aufgespürt, entwickelt es sich schnell zum Magneten, und ruckzuck tummeln sich dort jede Menge Menschen. Das trifft nicht nur auf Karibikinseln und Küstenorte am Mittelmeer zu, sondern auch auf Hoheluft-West. Schließlich ist das Viertel nicht ohne Grund der dichtestbesiedelte Stadtteil in Hamburg.

Vor allem für viele junge Familien ist es wie ein Sechser im Lotto, eine Wohnung in dem quirligen grünen Quartier direkt am Isebekkanal zu ergattern. Es kommt eben nicht immer auf die Größe an - auch 0,7 Quadratkilometer reichen aus, um ein eigenständiger und sehr beliebter Stadtteil zu sein. Hoheluft-West zählt zwar zu den kleinsten Stadtteilen, ist für seine Bewohner aber ein ganz großer.

Kreativität statt Tabak

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatten Hamburger Kaufleute eine Vorliebe für die Gegend, die heute durch den Isebekkanal und die Hoheluftchaussee sowie die Stadtteile Lokstedt und Eimsbüttel begrenzt wird. Die wohlhabenden Bürger errichteten damals dort ihre hübschen Landsitze und Sommerhäuser. Denn als im Jahr 1870 zum ersten Mal die Wagen der Pferde-Eisenbahn über die Hoheluftchaussee holperten, setzte langsam die Umwandlung von Ackerfluren in Wohngebiete ein.

Die Topografien des 19. Jahrhunderts weisen darauf hin, dass das Viertel damals lange Zeit nur eine kleine Siedlung an der Isebek war: Die Einwohnerzahl wird mit 40 beziffert, worunter sich zwei Gastwirte, ein Schlachter und drei Schuster befinden, heißt es dort. Nachdem die Hohelufter 1912 mit der Eröffnung der Ringlinie um die Außenalster einen Hochbahnanschluss an der Hoheluftbrücke bekommen hatten, wurde auch die Wohnbebauung in dem Viertel intensiviert.

An die alten Zeiten erinnert heute noch die ehemalige Tabakfabrik mit ihrem fünfgeschossigen Hauptgebäude und dem runden Eckturm. Das 1903 an der Hoheluftchaussee errichtete "Fabrikschloss" mit der weißen Putz- und Backsteinfassade steht zwar in einem Hinterhof, schafft es dennoch, das Viertel zu überragen. Früher wurde hier Tabak gelagert, aufbereitet, mit Honig aromatisiert und dann für den Versand verpackt.

Doch 1983 machte der Betrieb dicht, der Hersteller verlegte seine Fertigung nach Lübeck. Der Grund: Die Anwohner hatten sich immer wieder über zu große Lärmbelästigung aus der Fabrik beschwert. Seitdem residiert die Kreativität in dem denkmalgeschützten Gebäude: Drei Jahre nach dem Umzug des Tabakunternehmens zogen Menschen - zumeist sehr kreative - mit ihren Agenturen, Ateliers, Büros und Labors in den Bau.

Schätze im Verborgenen

Ein Stück Vergangenheit ist auch ein paar Meter weiter, an der Hoheluftchaussee 83, bewahrt worden. Anfang der 80er-Jahre kam bei einem Hausabriss an der Fassade eine alte Reklame für "Seifix" zutage. Das historische Wandbild, auf dem sieben fröhliche überlebensgroße Zwerge "Dr. Thompsons selbsttätiges Bleichmittel" anpreisen, wurde erhalten. Die Kulturbehörde setzte sich damals dafür ein, dass das mehr als 100 Jahre alte Werbemotiv restauriert und konserviert wurde - und die Zwerge die Passanten an der Hoheluftchaussee weiterhin anstrahlen.

Hoheluft-West hat jedoch auch Schätze, die eher im Verborgenen liegen. Wie zum Beispiel der Geisterspielplatz hinter der ehemaligen Tabakfabrik. Gespenstisch sind hier jedoch nur die Masken, mit denen einige Spielgeräte verziert sind. Unter anderem führt ein kleiner Weg von der Wrangelstraße, Höhe der Hausnummer 79, zu dem hübschen grünen Areal mit der Tunnelrutsche, zig Klettermöglichkeiten und Basketballkörben. Wer hier mit dem Ball dribbelt, läuft übrigens über alte Schienen der Hamburger Straßenbahn, die hier noch zu finden sind.

Grün, aber nicht geleckt

Die vielen Spielplätze im Stadtteil sind für Nadja Kienast nur einer von vielen Vorzügen von Hoheluft-West. "Das Viertel ist Teil einer Großstadt, aber nicht so anonym", sagt die Goldschmiedemeisterin, die seit 2006 in dem Stadtteil lebt und arbeitet. "Hier weiß man noch, wie der Nachbar heißt." Die Familienfreundlichkeit, die Bodenständigkeit der Bewohner, das Wasser vor der Haustür - das gefällt Nadja Kienast, die am Eppendorfer Weg das Goldschmiede-Atelier "Alloy" führt. "Das Viertel ist sehr grün, aber nicht so geleckt."

Hoheluft-West - dieser Stadtteil ist bunter als das angrenzende Lokstedt, nicht so szenig wie das Schanzenviertel und weniger schickimicki als sein östlicher Namensvetter. Hier geht es bodenständiger zu. Hier guckt niemand schief, wenn jemand in ausgebeulter Jogginghose einkaufen geht. Hier gehört es zum Alltag, dass die Menschen auf den stark frequentierten Gehwegen grundsätzlich dort stehen bleiben, wo sie am meisten stören.

Stellplätze sind Mangelware

Es ist ein grünes, gemütliches Viertel, in dem aber auch mal Müll in den Ecken herumliegt. In dem hier und da Farbe von Altbaufassaden abblättert und sich einige Rentner angesichts der gestiegenen Mieten ein Leben in dem Stadtteil kaum noch leisten können. Und in dem Platz Mangelware ist. Nicht nur mit dem Auto, selbst für einen Radfahrer wird es manchmal schwierig, einen freien Stellplatz zu finden. Und auch auf den Bürgersteigen, die sich Mütter mit Kinderwagen, Passanten und Radfahrer teilen, wird es häufig eng. "Das Heimelige hier kann auch beengend sein", sagt Kienast, die mit Sohn und Mann an der Roonstraße lebt. "Manchmal vermisse ich die Luft zum Atmen, die Großzügigkeit." Trotzdem liebt sie ihr Zuhause im Generalsviertel, dem Wohnviertel zwischen Bismarckstraße und Eppendorfer Weg.

Großstädtisch und doch beschaulich

Die Straßen mit den bunten Altbaufassaden wurden nach den militärischen Befehlshabern aus der Entstehungszeit des Kaiserreichs benannt. Heute zählen die Gneisenaustraße und ihre Parallelstraße zur begehrtesten Wohngegend im Stadtteil. Für Nadja Kienast ist das Generalsviertel mit seinen hohen und zuweilen herrschaftlich wirkenden Altbauten ebenso wie der Isebekkanal mit seinen alten Buchen am Ufer prägend für Hoheluft-West.

Beschaulichkeit gepaart mit Großstadtatmosphäre - das ist es, was die Bewohner hier ganz besonders schätzen. Dass nicht alles aussieht wie aus dem Ei gepellt, ebenfalls. "Hier ist die HafenCity noch ganz weit weg", sagt Nadja Kienast: "Zum Glück."

In der nächsten Folge am 10.9.: Dulsberg