Hamburg. Bisher lehnten sie es ab, dass die Straße den Namen eines Deserteurs trägt, nun sind sie einverstanden. So reagieren CDU und SPD.

Bereits seit 2020 setzt sich eine Initiative für die Umbenennung der Sedanstraße im Grindelviertel ein. Ihr Vorschlag: Die Straße zwischen Grindelallee und Bundesstraße soll nicht mehr nach dem Ort einer siegreichen Schlacht gegen Frankreich im Jahr 1870 heißen, sondern nach dem Wehrmachtsdeserteur und Friedensaktivisten Ludwig Baumann benannt werden.

Noch im vergangenen Jahr hatten die Eimsbütteler Grünen, die eine Umbenennung der Sedanstraße generell unterstützen, diesen Vorschlag mit einem Verweis auf den in Hamburg geltenden Konsens, Straßen nur nach Frauen zu benennen, abgelehnt. Nun sind sie auch mit dem männlichen Namensgeber einverstanden – und bringen auf der kommenden Bezirksversammlung einen entsprechenden Antrag ein.

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Baumanns Schicksal ist eng mit Frankreich verbunden. Als 19-Jähriger zur Kriegsmarine eingezogen, desertierte er in Bordeaux und wurde 1942 wegen „Fahnenflucht im Felde“ zum Tode verurteilt. Es blieb jedoch bei einer langen Haftstrafe. Noch in der Nachkriegszeit wurde er als Deserteur geächtet, engagierte sich später für die Kriegsdienstverweigerung und war auch an der Entstehung des Deserteursdenkmals am Stephansplatz beteiligt.

Das Bündnis, das sich für das 2015 eingeweihte Denkmal eingesetzt hatte, sowie eine Gruppe aus Friedensaktivisten, Studentinnen und anderen Aktiven schlossen sich 2020 – zwei Jahre nach Baumanns Tod – zur „Initiative Sedanstraße umbenennen“ zusammen.

Sedanstraße in Hamburg: Grüne in Eimsbüttel fordern Umbenennung

„Der Sedankult als Ausdruck des preußisch-deutschen Militarismus war eines der Elemente zur Vorbereitung der faschistischen Diktatur des Dritten Reiches, bereitete damit den verbrecherischen Vernichtungskrieg der Wehrmacht vor und wirkt bis in die Gegenwart nach“, heißt es in dem Antrag der Grünen.

Sie fordern die Bezirksamtsleitung darin auf, eine Umbenennung der Sedanstraße in Ludwig-Baumann-Straße prüfen zu lassen und gegebenenfalls umzusetzen. Bevor darüber in der Bezirksversammlung am 29. Februar abgestimmt wird, haben sich die SPD und die CDU im Bezirk Eimsbüttel in ihren Fraktionssitzungen am Donnerstag dazu beraten. Das Ergebnis: Dass die Sedanstraße demnächst umbenannt wird, scheint eher unwahrscheinlich.

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„Der Vorstoß der Grünen überrascht, da wir gerade in Eimsbüttel beschlossen haben, für die 2006 in Moskau ermordete Putin-Kritikerin Anna Politkowskaja eine noch unbenannte Fläche zu finden“, sagt der SPD-Bezirksabgeordnete Ernst Christian Schütt.

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Umbenennungen seien deutlich schwieriger und sollten nach Ansicht der Sozialdemokarten auch in einer Gesamtschau – wie durch die Arbeit der Kulturbehörde beim Umgang mit NS- oder kolonialgeschichtlich belasteten Straßennamen – entschieden werden. „Von daher beraten wir noch“, so Schütt. „Aber grundsätzlich stellt sich die Frage: Sollte Geschichte einfach getilgt werden oder müssen wir uns ihr stellen und uns mit ihr auseinandersetzen?“

Auch die Eimsbütteler CDU-Bezirksfraktion ist äußerst skeptisch, was eine Umbenennung der Sedanstraße angeht. „Wir stehen Umbenennungen grundsätzlich kritisch gegenüber“, teilte Jutta Höflich, kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Eimsbüttel, mit. Zudem weist sie darauf hin, dass in Wandsbek bereits eine Grünfläche nach Ludwig Baumann benannt wurde. Höflich: „Mit den Stimmen der dortigen CDU.“

Gedenken an Sedan

Eine Sedanstraße gibt es in vielen deutschen Städten. Der Name erinnert an die Kapitulation der französischen Armee am 2. September 1870 nach der Schlacht bei Sedan, in der preußische, bayerische, württembergische und sächsische Truppen nahe der französischen Stadt den entscheidenden Sieg im Deutsch-Französischen Krieg errungen hatten. Im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) war der „Sedantag“ ein wichtiger Gedenktag, der jährlich um den 2. September mit vielen Festen gefeiert wurde.