Hamburg. Das Studierendenwerk fördert junge Menschen mit Fluchthintergrund. Der Syrer Rafat Alani zeigt, was man daraus machen kann.

Wenn Rafat Alani in diesen Tagen in der Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge in Hamburg-Rahlstedt sitzt, dann denkt er: „Es ist alles noch genauso wie bei mir damals.“ Die Menschen sind verzweifelt und überfordert, es gibt zu wenig Personal und dafür umso mehr Bürokratie.

Damals, das war 2015. Alani war gerade 24 Jahre alt. Hinter ihm lag die wochenlange Flucht aus seiner Heimat Rakka im Norden Syriens. Vor ihm lagen: ein fremdes Land, eine fremde Sprache und mehr Fragen als Antworten.

Uni Hamburg: Rafat Alani bekommt ein Stipendium und nutzt die Chance

Und doch ist heute alles anders. Denn Alani ist nicht mehr in Not. Im Gegenteil: Er hat sein Studium an der Universität Hamburg abgeschlossen und arbeitet inzwischen regelmäßig als Dolmetscher in der Erstaufnahme. Übersetzt, fragt, trocknet auch mal Tränen. Wer Rafat Alani kennenlernt, der spürt, dass er große mentale Stärke mitbringt. Aber Alani sagt auch: „Wer es schaffen will, der muss auch Hilfe annehmen.“

Eine der Säulen, die Alani in seinem neuen Leben in Deutschland Stabilität gegeben haben, war das Hamburg-Stipendium des Studierendenwerks Hamburg, das er 2018 erstmals erhielt. Am Dienstagabend wurde es im „Schlüters“ auf dem Von-Melle-Campus zum fünften Mal verliehen – Grußworte hielt unter anderen der Schirmherr und Unternehmer Ian Karan.

Die insgesamt 30 Stipendiatinnen und Stipendiaten bekommen nun ein Jahr lang monatlich je 150 Euro und die Möglichkeit, Teil eines Unterstützer-Netzwerks zu werden. In diesem Jahr stammen die jungen Menschen, die auf diesem Wege gefördert werden, aus Afghanistan, Syrien, Togo, Estland, Polen, dem Iran, der Türkei, der Ukraine, Kolumbien und Russland.

Stipendiat aus Syrien: „Heute geht es mir gut. Ich bin angekommen“

Die Idee: Mit dem Stipendium sollen Studierende gefördert werden, die aus „besonderen Lebenssituationen heraus“ ihr Studium erfolgreich absolvieren, die einen Migrations- oder Fluchthintergrund haben und deren Eltern in Deutschland keine Hochschule besucht haben. Das Stipendium soll sowohl finanziell als auch ideell unterstützen.

Rafat Alani nutzte die Chance: Er ist heute 32 Jahre alt, spricht fließend Deutsch und hat gerade seinen Master in Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Hamburg gemacht. Vor rund zwei Jahren hat er geheiratet, vor sechs Monaten ist sein Sohn auf die Welt gekommen, sie leben in einer Wohnung in Hamm. Er strahlt: „Das alles ist möglich. Heute geht es mir gut. Ich bin angekommen.“

Es sei insbesondere die „ideelle Unterstützung“ gewesen, die Alani auf seinem Weg maßgeblich geprägt habe. „Da ist man plötzlich in einem Netzwerk, bekommt die Möglichkeit, Workshops und Seminare zu besuchen, hat einen geschützten Rahmen, in dem man Fragen stellen und sich orientieren kann.“

Von Syrien nach Hamburg: Alani muss wieder bei null anfangen

Das alles sei noch viel mehr wert als das Geld, das man erhalte, sagt er. „Wenn man hier als Flüchtling ankommt, dann heißt das für die meisten, dass sie wieder bei null anfangen müssen.“ So war es auch bei Alani.

Denn: In Syrien hatte er sein Studium fast beendet. Nur ein Jahr fehlte ihm noch bis zum Abschluss in Ingenieurswissenschaften. Für das Studium in Hamburg sei jedoch nahezu nichts anerkannt worden. „Ich startete also noch mal von null und in einer Sprache, die ich kaum kannte. Und drum herum eine Kultur, die ich auch noch nicht verstand. Da gibt es Tage, da glaubt man, dass man das nicht schaffen wird.“

Flüchtling aus Syrien: „Man muss die kleinen Erfolge sehen“

Doch er schaffte es. Sein Bachelor-Studium schloss er mit überdurchschnittlich guten Leistungen ab, parallel zur Uni jobbte er als Tutor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Parallel zum Beginn der Masterarbeit begann er, auch noch bei Philips als Werkstudent zu jobben.

Mehr zum Thema

Und kaum war die Masterarbeit fertig, bekam er auch gleich ein Jobangebot, das er gerade unterschrieben hat: Als Projektingenieur bei der Deutschen Bahn. Nächsten Monat geht es los.

Wie er das alle geschafft hat? Alani sagt: „Man darf nicht den ganzen langen Weg sehen, sondern immer das nächste Ziel vor Augen haben und dann kleine Erfolge feiern.“

Uni Hamburg: Die Sorge der Geflüchteten um die Heimat bleibt oft

Ein Job, eine eigene Familie, Freunde – eine Erfolgsgeschichte, hinter der sich so schön nun ein Punkt setzen ließe. Aber vergessen, sagt er, könne man seine Heimat nicht. In Gedanken sei er viel bei seinen Eltern, die noch immer im Bürgerkrieg leben und die inzwischen alt und krank seien.

Er würde sie gerne herholen, damit sie hier medizinisch betreut werden können und damit die Familie wieder vereint ist nach all den Jahren. Ob das klapp, ist derzeit noch ungewiss. Aber es ist sein nächstes Ziel. „Und das habe ich jetzt fest im Blick.“