Bezirksamt verweigert Genehmigung für zehn Service-Apartments, weil der Vorgarten zu klein für vorgeschriebene Stellflächen ist.

Hamburg. Nein, wie in Hamburg fühlt man sich hier nicht mehr. Gerade jetzt, im Frühsommer, wachsen Gräser, Sträucher und Bäume um die Wette. Hin und wieder ist ein Zug der AKN zu hören, aber wohl nur, weil der Wind heute aus Westen weht. Viel Grün also, was auch an der nahen Grenze zu Schleswig-Holstein liegen mag.

Andrea Blösz ist 1996 an die Peter-Timm-Straße in Schnelsen im Norden des Bezirks Eimsbüttels gezogen. Zusammen mit ihrem Mann hat sie dort ein Grundstück gekauft und ein Haus gebaut. Am Ende des Gartens liegt ein kleines Gehege für Hühner, Kaninchen, Enten. Das Wohnhaus ist groß genug, neben der Familie die Büros für ihren Pflegedienst, die Aktiv Pflege Hamburg GmbH, unterzubringen.

Vor dem Haus sind zwei rote Autos mit dem Logo des Pflegedienstes geparkt. Wer den Vorgarten betritt, kann den geräumigen Vogelkäfig gleich links nicht übersehen. Im Büro wuseln drei Mitarbeiterinnen. Die Schreibtische sind eng gestellt, und eines der vier Telefone klingelt immer. Ein Bernhardiner mit großen gütigen Augen hat es sich auf dem Boden bequem gemacht.

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Andrea Blösz hält sich nicht lange mit der Vorrede auf. Ihr Pflegedienst betreue in zwei Service-Wohnanlagen mehr als 200 Menschen, erzählt sie. "Wir wissen, wie wohl die Menschen sich dort fühlen." Die Senioren haben ihre Privatsphäre, aber der Gemeinschaftsraum ist auch nicht weit. Und Andrea Blösz kennt die langen Wartezeiten auf so eine Servicewohnung - manchmal sind es zehn Jahre.

Gegenwärtig leben in Hamburg rund 421 000 Menschen, die 60 Jahre oder älter sind. Fast jeder vierte Hamburger gilt im landläufigen Sinne demnach als Senior. Viele dieser Menschen, vor allem wenn sie älter werden, würden gern ihre große Wohnung gegen ein kleines, altengerechtes Apartment tauschen. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde gibt es derzeit in Hamburg 130 sogenannte Servicewohnanlagen mit rund 10 300 Wohnungen.

Da der Bedarf deutlich größer ist, haben die Blösz' beschlossen, auf dem Nachbargrundstück ein dreistöckiges Gebäude mit zehn altengerechten Wohnungen zu errichten. Zwischen 41 und 57 Quadratmetern sollen die Apartments groß sein. Die Aufteilung der eineinhalb Zimmer ist "amerikanisch". Ein großes Zimmer mit Küchenzeile und ein Schlafzimmer, Bad und Toilette.

Pflegebedürftigkeit sei keine Voraussetzung für den Einzug, sagt Andrea Blösz. "Uns ist es wichtig, dass die Menschen sich draußen in der Natur wohlfühlen und sich an Tieren nicht stören." Allerdings - das war für die Förderung des Projekts durch Steuergelder nötig - müssen die künftigen Bewohner älter als 60 Jahre sein und einen Wohnberechtigungsschein besitzen. Damit ist klar, dass hier kein Luxusdomizil entstehen wird.

So gut das Projekt klingt, es hat einen Haken. Andrea Blösz: "Als wir im September vergangenen Jahres den Bauantrag stellten, hofften wir, noch in diesem Jahr mit dem Rohbau fertig zu werden." Anfang kommenden Jahres sollten die ersten Mieter einziehen. Wer jedoch jetzt vor dem Grundstück steht, sieht nichts als eine leere grüne Wiese. Ein paar Enten haben es sich in der Nachmittagssonne bequem gemacht.

Dabei könnte alles so einfach sein. Am 22. Dezember unterschrieb die Finanzbehörde einen Vorvertrag, in dem der Familie Blösz das Recht eingeräumt wird, das Nachbargrundstück zu kaufen. Einzige Bedingung: Die Familie muss - wie sie es plant - zehn altengerechte Wohnungen bauen.

Unterstützung signalisierten auch Gesundheitsbehörde und Heimaufsicht, die angesichts der Alterung unserer Gesellschaft über jede zusätzliche Servicewohnung froh sind. Einig ist sich die Familie ebenfalls mit der Wohnungsbaukreditanstalt. "Die Kredite sind bewilligt", sagt Blösz. Das Projekt soll rund 1,3 Millionen Euro kosten.

Probleme macht das Bauamt des Bezirksamts Eimsbüttel, das die Baugenehmigung nicht erteilen will. Dabei liegt es offenbar nicht am mangelnden Willen der Beamten. "Sie sind uns in einigen Fragen entgegengekommen", sagt Andrea Blösz.

Das Kernproblem ist allem Anschein nach ein Konflikt zweier Verordnungen: So schreibt die Bauordnung einerseits vor, dass bei so einem Gebäude drei Stellplätze und eine Aufstellfläche für die Feuerwehr geschaffen werden müssen. Andererseits dürfen nur 30 Prozent des Vorgartens versiegelt werden. Das Problem ist nun, dass die Fläche für Stellplätze und Feuerwehr etwa 50 Prozent des Vorgartens ausmachen. Das zuständige Bezirksamt teilte dem Abendblatt auf Nachfrage mit, "dass unser Fachamt Bauprüfung bislang die beantragte Genehmigung nicht erteilen konnte, da das gewünschte Vorhaben nicht die durch das Planrecht vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt".

Familie Blösz hat dem Bauamt bereits angeboten, bei den Stellplätzen sogenannte Rasengittersteine zu verlegen. "Das aber gilt auch als Versiegelung, selbst wenn wir auf reinem Rasen parken würden", sagt Andrea Blösz.

Das Bauamt unterbreitete der Familie Blösz den Vorschlag, im Erdgeschoss eine Durchfahrt einzurichten. "Die drei Stellplätze und ein Wendehammer könnten dann im Garten angelegt werden", sagt Andrea Blösz.

Dabei spielt es behördentechnisch keine Rolle - und spätestens jetzt sind wir in Schilda -, dass durch die Auffahrt ein viel größeres Stück Vorgarten versiegelt werden würde. Blösz: "Die Auffahrt gehört verwaltungstechnisch zum Gebäude und zählt daher nicht bei der Versiegelung des Vorgartens."

Abgesehen davon, dass eine Durchfahrt das Projekt verteuern würde, funktioniere dann das Konzept der Servicewohnanlage nicht mehr. "Wir bieten die Wohnungen ja Menschen an, die es morgens nicht stört, wenn der Hahn kräht." Einen "betonierten Wendehammer" sehe das Konzept nicht vor.

Der Zeitdruck, der auf der Familie lastet, ist enorm. Das Vorkaufsrecht ist nur bis zum 22. Juni befristet. Zudem kann die Familie anfallende Bereitstellungszinsen nicht mehr tragen. "Jede Woche rinnt uns wie Sand durch die Finger", sagt Andrea Blösz.

Am ärgerlichsten dabei ist, dass schon drei potenzielle Mieter ihr Interesse bekundeten, ohne dass gebaut werden kann. "Wir haben drei Anfragen, obwohl von diesem Projekt öffentlich noch gar keine Rede ist", sagt Blösz. "Das geht über Mundpropaganda."