Die Hamburgerin Mareike Guhr segelt seit 2012 um den Globus. Zur Halbzeit besuchte sie ihre Heimatstadt. Sie berichtet von erfüllten Träumen, dem Bordalltag – und dem seltsamen Gefühl, mit Südseeblick an der Elbe Urlaub zu machen.

Wie fühlt es sich an, Urlaub von der Südsee zu machen – in der dunkelgrauen Hamburger Heimat? Mareike Guhr ist unverschämt braun gebrannt für den Nieselregen, der unablässig auf die Straße fällt, und unverschämt gut gelaunt für die Temperaturen da draußen. Seit fast zwei Jahren ist die 45 Jahre alte Skipperin aus Schnelsen mit dem Katamaran „La Medianoche“ auf See unterwegs. Zwei weitere Jahre will sie es noch sein. Dann ist sie einmal um die ganze Welt gesegelt.

Die Weltumsegelung von Mareike Guhr ist in vielerlei Hinsicht ungewöhnlich: Die Skipperin ist eigentlich solo unterwegs aber dennoch nie allein. Sie führt ein Schiff, das ihr nicht gehört und wird am Ende stattliche vier Jahre unterwegs sein. Der 15 Meter lange Katamaran „La Medianoche“ gehört der Charterfirma Moonsailing. Die Firma hat das Boot für die Reise zur Verfügung gestellt. Im Gegenzug bietet die Charteragentur Kunden kleinere oder größere Etappen der Weltreise zum Mitsegeln an. Platz ist auf der 2008 gebauten „La Medianoche“ reichlich vorhanden: In den beiden Rümpfen befinden sich vier große Doppelkabinen (jeweils mit Bad). Das Schiff ist insgesamt 8,10 Meter breit.

„Jetzt ist Halbzeit“, sagt Mareike Guhr. Und: „Es ist ein merkwürdiges Gefühl, wieder hier in Hamburg zu sein.“ Auch wenn sie in Hamburg aufgewachsen ist und den größten Teil ihres Lebens hier gelebt hat, habe sie das Gefühl, gerade nicht richtig dazuzugehören.

„Es mag ein wenig seltsam klingen, aber ich vermisse hier die wesentlichen Dinge des Lebens. Wir beschäftigen uns täglich mit lauter unwichtigen Dingen.“ Unbegreiflich sei ihr, worüber wir – und da zähle sie sich selbst dazu – uns hier in unserem modernen Leben so aufregen. „Auf den Südseeinseln, die ich in den vergangenen Monaten besucht habe, stellen sich ganz andere Fragen: Fange ich genug Fische? Werde ich meine Insel jemals verlassen?“ Das Leben in der Südsee sei einfacher, konzentrierter, sagt sie und fügt hinzu: „Ich glaube, die Menschen dort sind viel glücklicher, als wir hier.“

„Es ist schon seltsam, wenn man in Hamburg mit lauter Menschen in der U-Bahn fährt – und alle wegschauen. Bloß keinen Blickkontakt.“ Das sei ihr vor der Reise gar nicht so aufgefallen. Am anderen Ende der Welt seien die Begegnungen seltener – aber dafür auch deutlich intensiver.

Die vergangenen Wochen nutzte Mareike Guhr für Besuche bei Freunden und für all die wichtigen Sachen, die sie im Pazifik nicht erledigen kann: Besuche beim Arzt, beim Finanzamt, bei der Bank und endlich einmal wieder Spaziergänge mit dem Hund ihrer Eltern durch das Niendorfer Gehege.

Vor ein paar Tagen sei sie über die Elbbrücken nach Hamburg hineingefahren – „da wird einem schon wehmütig ums Herz“, sagt sie. „Am liebsten möchte ich am Ende meiner Reise mit dem Katamaran auf der Elbe nach Hamburg einlaufen.“ Aber wahrscheinlich werde es viel praktischer sein, das Schiff für weitere Vercharterungen im Mittelmeer zu lassen.

Die Heimatstadt Hamburg ist auf Mareike Guhrs Weltreise immer wieder präsent: Wann immer ihr auf den Meeren ein Containerfrachter begegnet, sieht sie Boxen der Reedereien Hamburg Süd oder Hapag-Lloyd. Im Panamakanal traf sie Segler aus Hamburg, und selbst jetzt in Whangarei auf Neuseeland ist Hamburg ganz nah – denn am gleichen Steg wie die „La Medianoche“ liegt eine Yacht aus der Hansestadt, mit der ein junges Ehepaar mit zwei Kindern um die Welt segelt.

Was in Hamburg passiert, bekommt sie am anderen Ende der Welt kaum mit. „Da wünsche ich mir manchmal mehr Infos aus der Heimat. Die meisten scheuen sich, mir Mails zu schreiben, weil sie denken, die bekomme ich ohnehin nicht“, sagt sie. Aber E-Mails gibt es mittlerweile auch im Stillen Ozean. Immerhin: Die ständig wechselnden Gäste erzählen immer, was gerade in Deutschland aktuell ist. „Das bringt immer wieder frischen Wind an Bord“, sagt die blonde Seglerin. Das sei ein immenser Vorteil gegenüber der klassischen Variante, die ganze Reise mit einem Partner oder einer festen Crew zu unternehmen.

„Die Menschen, denen ich hier in Hamburg begegne, fragen mich ständig: Was machst du, wenn du wieder hier bist?“ Die Frage scheint Mareike Guhr sehr fern – so fern, wie derzeit das Leben in der Metropole Hamburg. Guhr: „Ich weiß gar nicht, ob ich meinen bisherigen Job nach meiner Rückkehr wieder mache.“ Das sei so weit weg. Bevor Mareike Guhr Skipperin der „La Medianoche“ wurde, hat sie in Hamburg als Segelsportjournalistin und PR-Expertin für maritime Veranstaltungen gearbeitet.

Von ihren Reisen erzählt Mareike Guhr derzeit gern. Während ihres Heimaturlaubes in Deutschland berichtete sie auf der Messe „Boot“ in Düsseldorf von ihrer Reise. Vermutlich wird sie ein Buch schreiben, wenn sie einmal zurück ist. „Ja, vielleicht“, sagt Mareike Guhr. Das gehöre ja irgendwie dazu. Aber derzeit komme sie noch gar nicht zum Schreiben.

Ihr Alltag besteht aus viel Arbeit am Schiff, aus viel Planung und vor allem auch aus akribischer Wetterbeobachtung. Faulenzen in der Hängematte gebe es für sie eher selten: „Ich habe im vergangenen Sommer erlebt, wie ein Schiff, das neben meinem geankert hatte, auf ein Riff getrieben wurde. Nach einer halben Stunde war es vollgelaufen. Ein Totalschaden.“ Da komme man schon ins Grübeln und sichere alles doppelt sorgfältig ab. Dabei ist die Skipperin der „La Medianoche“ eine wirklich erfahrene Seglerin: Im Alter von 15 Jahren übernahm Mareike Guhr zum ersten Mal die Verantwortung an der Pinne und segelte mit dem Trimaran ihres Vaters über Ost- und Nordsee. Seitdem hat das Segeln sie nicht mehr losgelassen. Mehr als 60.000 Meilen ist Mareike Guhr in den vergangenen 30 Jahren gesegelt.

Die Hälfte ihrer Reise hat sie nun also hinter sich gelegt. Und? Was waren die schönsten Erlebnisse? „Da gibt es so viele“, antwortet Mareike Guhr sofort. Die Auswahl fällt schwer. Doch nach einer kurzen Pause zählt sie dann doch ein paar unvergessliche Erlebnisse ihrer bisherigen Reise auf: „Als ich aus der letzten Schleuse des Panamakanals gefahren bin – das war so ein Moment. Das war immer mein Traum, hier einmal durchzufahren.“

Aber auch die Ankunft auf den Galapagos-Inseln sei unvergesslich gewesen: „Da kommt man aus dem Staunen gar nicht heraus!“ Auch das Einlaufen in eine einzigartige Bucht auf den Marquesas – eine zu Französisch-Polynesien gehörende Inselgruppe – war ein absoluter Höhepunkt. Auch weil die Weltumseglerin zuvor den längsten Schlag zurückgelegt hatte. 18 Tage und 3000 Meilen am Stück hatte sie auf See zurückgelegt.

In Neuseeland wird der Katamaran gründlich überholt. Der Motor wird gecheckt, der Mast repariert und der Rumpf neu gestrichen. Nach dem zweiwöchigen Werftaufenthalt startet Mareike Guhr zunächst mit einem kurzen Neuseeland-Törn. Dann geht es wieder Richtung Norden nach Tonga, Vava’u und den Fidschi-Inseln. Im Herbst wird die Hamburgerin mit der „La Medianoche“ Australien erreichen. Weihnachten 2014 und den Jahreswechsel wird sie in und um Sydney sein. Danach soll der Wind sie langsam wieder nach Hause führen. Nur die genaue Route steht noch nicht fest: Entweder über den Indischen Ozean nach Südafrika, dann über den Atlantik nach Brasilien und via Karibik zurück nach Europa – oder nach dem Indischen Ozean durch das Rote Meer direkt ins Mittelmeer.

Irgendwann während ihres Heimatbesuchs hüpft Mareike Guhr kurz mal hoch, steht dann mit beiden Füßen fest auf dem Boden und lacht: „Direkt hier unter mir, – auf der anderen Seite der Erdkugel, ist Neuseeland, Whangarei, mein Boot.“ Sie sagt es, als wolle sie gleich wieder zurück.

Mehr über die Weltumsegelung und Mitsegelmöglichkeiten: www.magsail.de