Professor und Studenten der HafenCity-Uni prüfen Bausubstanz in Niendorfer Gehege. Pfadfinder ziehen in Arbeiterschuppen der Merck-Villa.

Hamburg. Sie zählen zu den wenigen Häusern, die vor 100 Jahren in das weitläufige Waldgebiet des Niendorfer Geheges gebaut wurden. Nicht ohne Grund sieht der Denkmalschutz in ihnen "gut erhaltene Zeugnisse" der Stadtteilgeschichte. Doch der Lack an der ehemaligen Sommerresidenz der Familie Mutzenbecher (Bondenwald) ist ebenso ab wie an dem einstigen Arbeiterschuppen der Merck-Villa. Am Bondenwald kämpft nur noch ein Mieter standhaft gegen den Abriss.

Der Arbeiterschuppen diente zuletzt vorübergehend als Zufluchtsort des aus der Haft entlassenen ehemaligen Sicherungsverwahrten Hans Peter W, der jetzt in Jenfeld untergebracht wurde.

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Nutzungskonzepte fehlten für beide Häuser in Niendorf. Nun aber scheint für die exponiert gelegenen Gebäude eine Alternative zum Abriss gefunden. Noch in diesem Jahr erhält die Niendorfer Pfadfinder-Mädchengruppe Lykamedas den 85 Quadratmeter großen Arbeiterschuppen als Heimstätte. "Die Mietverträge werden in dieser Woche unterschrieben", sagt Stephan Glunz, Sprecher des Bezirksamts Eimsbüttel. Das Haus wurde 1912 in der Nähe einer Villa erbaut, in der heute Til Schweigers Ehefrau Dana und ihre Kinder leben. Der Schuppen soll künftig "waldnah genutzt" und mit rund 120 000 Euro staatlicher Förderung instand gesetzt werden. "Es ist ein wichtiger Baustein für unsere pädagogische Arbeit", sagt Stefan Brauckmann vom Pfadfinderbund Nord. "Nächstes Jahr sollen die Mädchen einziehen können." Im bisherigen Domizil der weiblichen Pfadfinder, dem Niendorfer Bürgerhaus, sei es zu eng geworden.

Vor dem Einzug müssen allerdings das Dach und die Elektrik erneuert, eine Heizung eingebaut werden. Auch das gut 800 Quadratmeter große Grundstück will der 1998 gegründete Pfadfinderinnen-Stamm auf Vordermann bringen. Und weil dies größtenteils in Eigenregie passiert, sei das Haus der etwa 100 Mädchen starken Gruppe mietfrei überlassen worden, sagt Bezirkssprecher Glunz. Nur Strom und Wasser müssten die Pfadfinder selbst zahlen. Der Mietvertrag ist auf 20 Jahre mit einer Option für weitere zehn Jahre angelegt. SPD-Bezirkspolitiker Marc Schemmel sieht darin die ideale Lösung: "Die Pfadfinderinnen bekommen endlich ein eigenes, attraktives Heim, und gleichzeitig wird diese historische Niendorfer Immobilie saniert." Es zeige, dass sich der Einsatz der Kommunalpolitik gelohnt habe.

Von einer Sanierung ist die Mutzenbecher-Villa (um 1900 von Albingia- und Hamburg-Mannheimer-Gründer Herrmann Mutzenbecher erbaut) zwar noch weit entfernt. Doch nachdem sich die Bezirksversammlung vorläufig gegen einen Abriss entschieden hatte, durften in den vergangenen Tagen immerhin Studierende der HafenCity-Universität (HCU) die Bausubstanz des erhabenen Landhauses untersuchen. Unter der Ägide von Professor Jens Uwe Zipelius wurden unter anderem Fugen auf Feuchtigkeit geprüft, insgesamt soll bis Ende Juli eine Bauzustandsanalyse erstellt werden. "Wie geht's dem Patienten? Diese Frage wollen wir klären", sagt Zipelius. Über mehrere Semester sollen Studierende den Bau begutachten.

"Der erste Eindruck ist gut", sagt der Professor. "Das Haus ist gut unterlüftet." Demnach würden Mauerwerk und Holzbalken wenig Zersetzungstendenzen aufweisen. "Die Substanz kann nicht gammeln", sagt er. Zipelius habe darüber hinaus Erfahrung mit der Rettung von Bausubstanz. Schon den S-Bahnhof Rübenkamp konnte er vor dem Abriss bewahren. Gleiches habe er nun mit der Mutzenbecher-Villa vor. "Mit einer Innenraumanimation werden wir zeigen können, wie das Innere einmal aussehen kann." Die Nutzung für Vereine, als Café, Ausstellungsraum für ein örtliches Museum oder als Sitz des Bundes für Umwelt und Naturschutz hält er für möglich.

"Ich möchte erreichen, dass das Haus revitalisiert wird", sagt Zipelius. Eine Wohnnutzung scheidet dabei allerdings aus Planungsgründen aus. Bezirk und Stadt, in deren Eigentum sich die Villa befindet, suchen Investoren für eine "waldnahe Nutzung". Wurden die Sanierungskosten im Jahr 2003 noch auf 600 000 Euro taxiert, schätzt der Bezirk inzwischen, dass 1,5 Millionen Euro nötig wären, um dem Landhaus zu neuem Glanz zu verhelfen.