Seit Freizeitfußballer Paul Janke in der RTL-Sendung Frauen betörte, kommen auch mehr Zuschauerinnen zu den Spielen des Niendorfer TSV.

Schnelsen. Christina ist 21 und muss ihrem Papa beim Wurstbraten helfen. Für den Vereinswirt von Germania Schnelsen könnte dieser Dienstag ein besonders umsatzstarker Abend werden, trotz des Nieselregens: Denn der heutige Gegner im „Pokal-Derby-Kracher“ heißt schließlich Niendorfer TSV und da geht es nicht nur um den Einzug ins Halbfinale des oddset-Pokals, sondern auch ums Prestige. Außerdem gilt dieses Nachbarschaftsduell als eines der größeren gesellschaftlichen Ereignisse im Stadtteil. Deshalb wird auf der Anlage am Riekbornweg heute auch Prosecco für die Damen ausgeschenkt; auf Wunsch im 0,4 l-Plastikbecher für acht Euro. Da kann man nicht meckern.

Überraschenderweise ist trotz dieses enorm wichtigen Spiels bei den Niendorfern ein Spieler im Kader, der in den vergangenen Monaten kaum trainieren konnte, weil er damit beschäftigt gewesen war, vor einem Millionenpublikum Mädchen- und Frauenherzen zu brechen. Christina, ist die erste, die den „Bachelor“ erspäht: Paul Janke, 30, halblange blonde Haare, Drei-Tage-Bart, schlendert aufrecht, aber unauffällig zu den Umkleidekabinen. In seinen dunkelblauen Trainingsklamotten, die Sporttasche lässig geschultert, sieht er jedoch bloß wie ein stinknormaler Fußballer aus. Aber das ist er ja auch. Und nur das will er jetzt sein.

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„Süß“, sagt Christina und verbrennt sich beinahe ihren Daumen, mit dem sie eine knusprige Krakauer auf der Würstchenpappe festhält, während sie gleichzeitig dem „Bachelor“ mit ihren Blicken folgt. „Ja, ich finde, er sieht wirklich sehr süß aus. Über seinen Charakter kann ich natürlich nichts sagen, aber das kam ja auch in der Sendung nicht so rüber.“

Drei Jahre ist es nun her, als sich Paul Janke, studierter Betriebswirt und Gastronomie-Berater, ganz offiziell in einen „Sunnyboy“ verwandelte. Damals wurde ihm das „hübscheste Männergesicht Hamburgs“ bescheinigt, ein Titel, der ihm kürzlich einen mehrwöchigen Aufenthalt am sommerlichen Kap der Guten Hoffnung bescherte. Dort feierte die RTL-Kuppelshow „Der Bachelor“– nach acht Jahren Pause – im Januar diesen Jahres ihre Wiederauferstehung. Und weil Paul Janke neben seinem hübschen Gesicht und einer durchtrainierten Figur auch dieses verdammt charmante Millionen-Dollar-Lächeln besitzt, durfte er ein paar Wochen lang Rosen an mehr oder minder buhlende Frauen verteilen, bis nur noch die 27jährige Anja Polzer übrig blieb.

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Die attraktive PR-Beraterin wurde seine Auserwählte, auch real, hinter den Kulissen der Sendung und danach, als die Aufzeichnungen liefen, aber das zarte Band ihrer Liebe wurde von den Vertragskonditionen des Senders ziemlich brutal zerschnitten. „Wir durften ja nichts verraten und mussten uns deshalb nach den Aufzeichnungen heimlich treffen“, seufzt Janke. „Wir waren erstmal gemeinsam in den USA danach in Dänemark, aber dann mussten wir beide immer mehr Termine erfüllen, und außerdem liegen ja fast 700 Kilometer zwischen uns….“ Momentan würden sie regelmäßig miteinander telefonieren. „Ich würde es mal so sagen: Wir sind derzeit Freunde. Was da noch kommt, wer weiß das schon?“

Dafür kommen jetzt immerhin seine Mannschaftskameraden auf ihn zu; André Tholen, Simon Mensah, Philipp Koberger, Jan Geist und wie sie alle heißen. Die Begrüßungen fallen herzlich aus, Handflächen klatschen laut aneinander, ab und zu gibt’s auch eine angedeutete Umarmung und herzhafte Worte: „Na, du alter Schlepphoden!?“ Paul Janke lächelt glücklich.

+++ Paul Janke aus Winterhude ist der RTL-Bachelor +++

Ganz klar: Da ist einer heimgekehrt, ein verlorener Sohn, Mitglied einer verschworenen Gemeinschaft, ein echter Kerl; ein Fußballer, abgetaucht in die ihm eigene Welt, die er seit seinem vierten Lebensjahr liebt und nicht missen möchte. „Fußball ist für mich immer schon ein Traum gewesen, mehr als bloß ein Hobby“, sagt er. Offensichtlich ist es jetzt auch eine Art Kurzurlaub vom Glamour. Michelle, Samantha, ihre Freundin Joen und Nele sowie vielleicht ein halbes Dutzend weiterer Mädchen zwischen 14 und gerade mal 18, die aus einigen Metern Abstand mit gezückten Handys die rauen Männerrituale beobachtet, interessieren ihn in diesem Moment kein Stück.

„Ach was, der war schon immer der Paul, und das ist er auch heute noch“, sagt Marcus Scholz, Ligamanager der 1. Niendorfer Herren, „er ist wirklich ein ganz bodenständiger Typ.“ Außerdem sei er auch ein sehr erfahrener, mannschaftsdienlicher Spieler mit hervorragenden Schusstechnik, sogar beidfüssig! „Konditionell ist Paul natürlich im Rückstand, aber vielleicht bringt ihn der Trainer nachher, wenn das Spiel auf Messers Schneide steht. Denn vor allem bei Standards ist er stets brandgefährlich.“

Schade nur, dass es dazu nicht kommen wird. Zwar blitzt schon beim Warmmachen Paul Jankes gefühlvolle Ballbehandlung auf, aber der Niendorfer Trainer Frank Hüllemann lässt seine Nummer Zehn wie vorgesehen auf der Reservebank Platz nehmen. Und so schauen ein paar feixende Kinder und die Mädchen von vorhin ihrem Idol staunend dabei zu, wie Paul Janke hilflos miterlebt, wie Germania Schnelsen seine Truppe vor allem in der zweiten Halbzeit filetiert. Die einzig wirklich erwähnenswerte Szene der Niendorfer wird als eine Granate von Tim Schumacher aus 18 Metern im Gedächtnis haften bleiben, die in der 32. Minute hoch übers Tor rauscht und die Fensterscheibe eines benachbarten Gebäudes pulverisiert.

Nele, eine hübsche 16jährige Realschülerin aus Schnelsen, mit sorgfältig schlammgrau lackierten Fingernägeln und getuschten schwarzen Wimpern, weicht die gesamten 90 Minuten nicht aus seiner Nähe. Sie habe alle Sendungen des „Bachelors“ verfolgt, sagt sie mit schmachtendem Blick, und „natürlich finde ich ihn echt super. Er ist der Typ Mann, den ich attraktiv finde, schon deswegen, weil er blond ist.“ Neles wirkliches Problem ist jedoch, dass sie jetzt niemanden dabei hat, der sie nachher mit ihrem nahbaren, aber unerreichbaren Idol fotografieren könnte.

Nach dem Abpfiff wird sich dann doch noch das erhoffte Treffen ergeben: Geduldig wird der „Bachelor“ dann in den Armen der jugendlichen Blüte Schnelsens posieren, dabei sein Millionen-Dollar-Lächeln aufs Gesicht zaubern, und das wird ganz natürlich wirken, weder aufgesetzt, gezwungen oder gar arrogant, trotz des Altersunterschieds. „Ganz ehrlich“, sagt Paul Janke, „darauf muss man auch wirklich Bock haben, sonst funktioniert das nicht. Die Fans würden es ganz schnell merken, wenn du es nicht mit ihnen ernst meinst.“ Schließlich stehe er jetzt am Punkt, wo er den Promi-Effekt ausnutzen müsse, um seinen neuen Weg zu gehen, der ihn langfristig in die Moderation führen soll, vielleicht auch zur Schauspielerei. Das bedeute, stets verfügbar zu sein für Autogrammstunden, PR-Auftritte und natürlich für die RTL-Senderfamilie. Anfragen gebe es reichlich, auch die einer großen Supermarktkette, die für eine Signierstunde des „Bachelors“ die kommende Weihnachtsfeier der 1. Herren sponsern will – seiner Mannschaft, die in diesem Pokal-Viertelfinale so kläglich untergeht.

In der 75. Minute, als die Partie beim Stand von 2:0 im Grunde längst entschieden ist, kommt Paul Janke dann doch noch zu seinem Einsatz. Einige der 618 zahlenden Zuschauer applaudieren, als er den Kunstrasenplatz betritt. Drei, vielleicht vier spitze Schreie sind ebenfalls zu hören. Doch in der typischen Sportreportersprache würde es heißen: Paul Janke konnte dem Spiel keine entscheidende Wendung mehr geben. Für sein neues Leben abseits des Fußballplatzes sieht das dank des „Bachelors“ natürlich anders aus. Da wäre zum Beispiel die Sache mit seinem „persönlichen“ Unisex-Parfüm „Der Rosenkavalier“: „Ich verhandele gerade mit potenziellen Vertriebspartnern. Die Flakons stehen bei mir im Keller und da muss ich jetzt echt mal was machen.“ Da wirkt Paul Janke zum ersten Mal ein wenig zerknirscht.

Fotos vom Bachelor beim Training unter abendblatt.de/bachelor