Vielerorts fehlen in der Hansestadt Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Die Stadt hat den Überblick über “1000-Bügel-Programm“ verloren.

Hamburg. Eine Frau - in Fleecejacke und mit Käppi - hält mitten auf dem Fahrradweg an, um ihr schwarzes Tourenrad an eine Parkuhr anzuschließen. Dadurch blockiert sie den ohnehin schon schmalen Radweg. Die Frau hat keine andere Wahl. Ausreichend Fahrradstellplätze gibt es nicht. Weder hier in Eimsbüttel noch an vielen anderen Orten in Hamburg. Der Radverkehr steigt stetig an, aber die Infrastruktur hinkt hinterher.

Schätzungsweise 200 Fahrräder stehen am Heußweg nahe der U-Bahn-Haltestelle Osterstraße. Sie sind an Pollern angeschlossen, an Verkehrsschildern oder stehen frei herum. An das öffentliche Telefon ist nur schwer heranzukommen, weil es von Fahrrädern umschlossen ist. Ein Ständer mit elf Plätzen und der einzige Fahrradbügel sind belegt. "Es ist katastrophal in Eimsbüttel", sagt Ines Wiese, die regelmäßig Fahrrad fährt. "Man findet gar keinen Parkplatz mehr. Ich kann mir gut vorstellen, dass einige deshalb ungehalten werden", sagt auch Katrin Voith.

Der Radverkehr hat laut Allgemeinem Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in den vergangenen fünf Jahren um drei Prozent zugenommen und macht mittlerweile 12 Prozent des Verkehrs aus. Mit der 2007 verabschiedeten Radverkehrsstrategie haben damals alle Fraktionen der Bürgerschaft den Ausbau des Radverkehrssystems beschlossen. Ziel war es, den Anteil der Radfahrer bis 2015 auf 18 Prozent zu erhöhen. Davon ist der jetzige SPD-Senat schon wieder abgerückt. Dies sei nicht zu schaffen. Teil der Radverkehrsstrategie sind unter anderem der Ausbau der Velorouten und das "1000-Bügel-Programm". Schon seit Mai 2009 will die Verkehrsbehörde die Abstellmöglichkeiten für Fahrräder verbessern.

+++ Umsteigen - aber richtig +++

+++ Diese Radwege sind in den Bezirken geplant +++

+++ Fahrradparkhaus eröffnet mit Verspätung +++

Wo die Bügel montiert werden, entscheiden die Bezirke in Absprache mit der Behörde. "Ziel ist es, die Anzahl der Abstellplätze an markanten Örtlichkeiten in Wohn- und Geschäftsbereichen zu erhöhen", sagt Anne Bauer vom Bezirksamt Wandsbek. Im Bezirk Harburg melden Wegewarte, Polizisten und Bürger, wo Bedarf besteht. Ebenso in Altona. Im Bezirk Nord kommen außerdem auch Hinweise aus der Kommunalpolitik. Für das 1000-Bügel-Programm stehen 500.000 Euro zur Verfügung.

Allerdings werden nicht in jedem Bezirk gleich viele Abstellmöglichkeiten - meist Anlehnbügel - montiert. In Altona waren es im Zuge des Programms bisher 400 Stück, in Harburg hingegen nur gut 200. In allen genannten Bezirken gibt es Pläne, wo in diesem Jahr weitere Abstellplätze geschaffen werden sollen. Erste Standorte können aber noch nicht benannt werden. Es ist nicht klar, wie viele Bügel insgesamt bisher im Rahmen des 1000-Bügel-Programms montiert wurden. "Das können wir derzeit nicht erfassen", sagt Helma Krstanoski von der Verkehrsbehörde.

Sie verweist auf ein anderes Projekt: kleine Fahrradhäuschen, die gerade in Gegenden mit vielen Altbauten aufgebaut wurden und acht bis zwölf Fahrräder beherbergen. Allerdings stehen diese nur Anwohnern zur Verfügung und werden auch nur von der Stadt bezuschusst. "Da waren wir die Ersten in Deutschland", sagt Krstanoski. 350 der Fahrradhäuschen gibt es in Hamburg. "Der Bedarf ist größer, aber es gibt zu wenig geeignete Flächen."

Aber wer ist wo verantwortlich? An allen Hauptverkehrsstraßen ist im Rahmen von Grundinstandsetzungen die Stadt zuständig, in allen anderen Fällen der Bezirk, der auch für alle Bezirksstraßen zuständig ist. An allen nichtöffentlichen Plätzen ist der jeweilige Besitzer verantwortlich - beispielsweise auf Supermarktparkplätzen. Außerdem wichtig: Während die Deutsche Bahn dafür zuständig ist, die Plätze rund um ihre Bahnhöfe sauber zu halten, sind für Fahrradstellplätze dort die Bezirke zuständig. "Die Einhaltung der Auflage wird vom Bauprüfamt in Absprache mit den Bezirken kontrolliert", sagt Kerstin Graupner, Sprecherin der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Die Kontrolle 2011 habe ergeben, dass sich 93 Prozent der Bauherren an die Vorgabe gehalten haben. Die anderen mussten Strafen zahlen.

Bei Neubauten schreibt die Hamburgische Bauordnung mittlerweile vor, dass auch ausreichend Fahrradständer montiert werden müssen. Dieser Passus wurde erst 2011 eingefügt.

Doch nicht immer ist die Auswahl der Standorte für neue Fahrradbügel nachvollziehbar. Beispiel Rotherbaum: An der Kreuzung Heinrich-Barth-Straße und Brahmsallee bzw. Hallerstraße hat das Bezirksamt Eimsbüttel etwa20 neue Stahlbügel aufgestellt, die aber niemand nutzt. Radfahrer Roland Musolff kommt dort täglich vorbei und regt sich auf: "Die Bügel an der Stelle sind großer Quatsch." Ein paar Meter weiter an der Heinrich-Barth-Straße in Höhe Rutschbahn sieht es schon anders aus: Überall sind Fahrräder an Straßenschildern und Baumschutzbügeln angeschlossen. Lediglich fünf Fahrradbügel gibt es hier, die alle besetzt sind.

Ein weiteres Beispiel für eine Fehlplanung ist nach ADFC-Aussage die überdachte Fahrradstation an einer Nebenstraße des Einkaufszentrums Hamburger Meile (Hamburger Straße) in Barmbek-Süd. Die Station ist meist leer, stattdessen schließen die Radfahrer ihre Räder am Geländer direkt im Eingangsbereich an. "Radfahrer haben eine geringe Umwegetoleranz", klagt Johanna Drescher vom ADFC. Besonders schlimm sei die Situation am Hauptbahnhof. "Dort gibt es keine Parkplätze für Fahrräder, für eine Metropole wie Hamburg ist das enttäuschend." Ähnlich die Situation am Bahnhof Altona. Dem Bezirksamt ist der Bügelmangel bewusst. "Jedoch lassen die Platzverhältnisse nicht mehr zu", sagt Sprecherin Kerstin Godenschwege. Der ADFC fordert vor allem am Hauptbahnhof und an den Park-and-ride-Stationensichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. "Gute Abstellmöglichkeiten animieren dazu, auch mit hochwertigen Rädern zu möglichst vielen Zielen zu fahren", sagt Drescher.