Hauseigentümer zerstörte in Harvestehude den toskanischen Garten seines Mieters - jetzt muss er das Idyll auf eigene Kosten restaurieren.

Harvestehude. Von einem Triumph will Gerald Heinemann gar nicht sprechen. Er sei froh, dass Ruhe eingekehrt und "die Sache" endlich durchgestanden ist. Heinemann ist erleichtert, ein bisschen glücklich sogar. Aber nachtreten wolle er nun wirklich nicht - um die Dinge, jetzt, da alles geregelt ist, nicht unnötig zu verkomplizieren.

Der 57-Jährige hat in einem nervenzehrenden Rechtsstreit gegen seinen Vermieter, der seinen Garten möglicherweise aus geschäftlichem Kalkül kurz und klein geholzt hatte , die Oberhand behalten, sprich: Heinemann hat eine äußerst vorteilhafte außergerichtliche Einigung erzielt. Sein Vermieter muss den Garten wiederherstellen. Der ursprünglich für vergangenen Freitag angesetzte Prozesstermin ist deshalb gestrichen worden. "Es war ein Sieg auf ganzer Linie", sagt er jetzt. "Aber anders hätte es nach meinem Rechtsverständnis auch gar nicht laufen dürfen."

So machte der Vermieter das Garten-Paradies zu Kleinholz

Was Heinemann im Februar erleben musste, kommt ihm noch heute wie ein Albtraum vor. Die bizarre Geschichte beginnt mit einem Eigentümerwechsel. Im Sommer 2011 erwirbt der Duisburger Unternehmer Ludger H. das denkmalgeschützte Haus an der Abteistraße, Heinemann lebt dort seit 25 Jahren. Seine Wohnung, 153 Quadratmeter groß, ist für die gefragte Lage im feinen Harvestehude äußerst preiswert. Er zahlt nur rund neun Euro Miete pro Quadratmeter, insgesamt circa 1400 Euro monatlich. Im September schaut Ludger H. bei Heinemann vorbei. Und teilt ihm mit, dass er künftig statt der neun Euro Miete pro Quadratmeter 16 Euro verlangen werde - über seine Anwältin Ulrike Traut widerspricht Heinemann. Er gehört zur deutschen Werber-Elite, er schaffte es bei Scholz & Friends ganz nach oben und gründete 2007 mit Abbeyroad Networks seine eigene Kreativagentur. Einer wie er steht permanent unter Dampf, aber in seinem toskanischen Garten, da kann er abschalten. Die Rhododendren und die Zypressen, die Birnen- und Fliederbäume, die Essigpalmen und die Hecke hat er vor 20 Jahren mit seinem Vater angepflanzt.

Ein bisschen sieht sie aus wie gemalt, diese üppige grüne Oase von fast barocker Pracht. Die Blüten der Rosen, Lupinen und Hortensien leuchten, eine Wiese gedeiht, Puste- und Kornblumen sprießen - alles so schön bunt hier. Im Sommer legt er sich zum Sonnen in seinen Garten, er grillt dort und spielt mit Freunden Fußball. So wie er war, der Garten, war er für Heinemann perfekt.

Nur sieht Ludger H. das offenbar ganz anders, Mitte Januar schreibt er ihm: Sein Garten sei "wenig gepflegt" und müsse neu gestaltet werden, damit er sich "der Adresslage entsprechend angemessen gegenüber den Nachbarn präsentiert", teilt er mit. Und bestimmt "nach Gutsherrenart", so empfindet es Heinemann, dass die Bauarbeiten am 1. Februar beginnen. Erneut widerspricht der 57-Jährige schriftlich.

Er befindet sich am Morgen des 9. Februar im Bad, als das "Rollkommando", wie er es nennt, seinen Garten zerlegt. Er hört einen Knall, das Kreischen von Kettensägen, Stimmengewirr. In Unterwäsche tritt er bei minus acht Grad vor die Tür und muss hilflos mit ansehen, wie sechs Männer seinen Garten einebnen. Er protestiert - und bewirkt doch gar nichts. Er alarmiert die Polizei und seine Anwältin, er fotografiert und stellt die Bilder bei Facebook ein. Als die Beamten nach 20 Minuten eintreffen, ist sein Garten komplett zerstört. Heinemann fühlt sich an ein "verrücktes Massaker willfähriger Söldner" erinnert, die Stoßrichtung ist ihm gleich klar: Ludger H. wolle ihn aus der Wohnung ekeln. Gleich nach dem Kahlschlag habe sich sein Vermieter zu den Arbeitern gesellt. "Er stieß mit ihnen auf die Untat mit Bier an. Alle johlten wie böse kleine Jungs, lachten sich schief." Auf Heinemanns Facebook-Seite machen seine Freunde ihrer Wut und Empörung Luft. Rund 1000-mal wird die Aktion kommentiert, eine Ex-Größe aus dem Rotlichtmilieu fragt: "Wie kann ich helfen?"

Mitte April landet der Fall vor Gericht. Heinemann klagt, und Ludger H. will nun seinerseits die Mieterhöhung auf juristischem Weg durchsetzen. "Ich möchte wissen", fragt die Richterin den Hausbesitzer während der Verhandlung, "wie Sie das fänden, wenn ein Vermieter einfach in Ihre Wohnung eindringen würde."

Das Urteil ist nun obsolet - man hat sich verständigt. Als kleines Zugeständnis und "Handreichung" an seinen Vermieter, so der 57-Jährige, verzichte er darauf, den Garten im toskanischen Stil neu anlegen zu lassen. Ansonsten habe er aber freie Hand. Er bekommt eine neue Terrasse, Rhododendren, einen Apfel- und einen Kirschbaum, Magnolien und einen Rollrasen. Und einen Kräutergarten "mit allen Kräutern, die das Wetter hier aushalten", das war ihm wichtig. Gleichzeitig habe er eine Mieterhöhung akzeptiert, aber eine sehr moderate. "Ich zahle jetzt - fest für drei Jahre - monatlich nur rund 140 Euro mehr, nach den ursprünglichen Vorstellungen des neuen Vermieters wären es 1071 Euro mehr gewesen."

Ludger H., der sich nach Angaben von Heinemann bis heute nicht entschuldigt hat, dürfte die Neugestaltung des Gartens teuer zu stehen kommen. Für die Wiederherstellung seines "Paradieses" hatte Heinemann nach grober Schätzung rund 25 000 Euro veranschlagt. Auch geschäftlich hat dem Duisburger die rabiate Aktion geschadet: Nach Abendblatt-Informationen hat der Vorbesitzer des Altbaus, die Immobilienfirma Robert Vogel, dem Neueigentümer schriftlich mitgeteilt, man empfinde sein Vorgehen als "unhanseatisch" und bereue, jemals mit ihm Geschäfte gemacht zu haben. Weitere Verkäufe lehne man ab.

Ein Gartenbauarchitekt hat gestern die weitgehend kahle Fläche gesichtet. Eine Woche sollen die Erd-, eine weitere Woche die Bepflanzungsarbeiten dauern. Heinemann, der geschäftlich in Spanien zu tun hat, freut sich schon darauf, seinen neuen Garten in voller Pracht genießen zu können. "Als Erstes", sagt er und lacht, "wird gegrillt."