Lohbrügge. Rettungsschiff im Dauereinsatz im Mittelmeer. Menschen von vier Booten an Land gebracht. Was Gerettete durchgemacht haben.

Die Crew des deutschen Segelschiffs „Nadir“ innerhalb weniger Stunden rund 200 Menschen in akuter Seenot auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken gerettet. Die Nadir gehört zur deutschen Organisation Resqship um den Seenotretter und Kapitän Ingo Werth. Der Lohbrügger Werth hatte sich als Skipper des Schiffs zuletzt erneut mehrere Wochen lang auf Rettungsmission im Mittelmeer begeben. Wie dringend dieser Einsatz notwendig ist, zeigen die vergangenen Tage.

Am späten Freitagabend bat die Crew der Aurora von Seawatch, einem weiteren Seenotrettungsverein, die „Nadir“ um Hilfe. Mehrere seeuntüchtige, überbesetzte Boote in der maltesischen SAR-Zone (Search and rescue) benötigten dringende Hilfe. Außerdem berichtete die italienische Küstenwache über ein schiffbrüchiges Boot. Auf dem Weg zu der gegebenen Position traf die „Nadir“ zunächst auf ein Metallboot mit 43 Menschen an Bord, welches tief im Wasser lag und zu kentern drohte. Die Crew nahm die Menschen an Bord, versorgte sie medizinisch.

200 Menschen vor dem Ertrinken gerettet: Einige wurden zuvor in Tunesien misshandelt

Kurz darauf fand die „Nadir“ ein weiteres Boot mit 48 Menschen an Bord - darunter mehrere Menschen mit schwerwiegenden Verletzungen wie Knochenbrüchen. Aufgrund der hohen Instabilität des Schlauchbootes nahm die Crew auch diese Menschen an Bord. Die italienischen Behörden wiesen der „Nadir“ daraufhin Lampedusa als sicheren Hafen für die Ausschiffung der 91 Geretteten zu. Noch in der Nacht nahm die Besatzung Kurs auf die italienische Insel, wo alle Menschen am Sonnabendvormittag sicher an Land gehen konnten.

Die geretteten Menschen waren zuvor von Tunesien aufgebrochen. Dort werden, so berichtet es Resqship, seit Wochen täglich rassistische Angriffe auf Menschen, insbesondere aus den Subsahara-Gebieten, vermeldet. Auch die von der „Nadir“ Geretteten, überwiegend schwarze Menschen, wurden offenbar Opfer dieser Gewalt: „Die Menschen berichteten uns, wie sie gewaltvoll aus ihren Häusern vertrieben wurden. Drei von ihnen mit Knochenbrüchen schilderten, sich nur durch einen Sprung aus dem Fenster in Sicherheit gebracht zu haben“, erzählt Konstantin Breunig, Bordarzt auf der „Nadir“.

Aufklärungsflieger helfen den Seenotrettern

Es war der erste Tag der „Nadir“-Crew im Einsatzgebiet. Bereits am Freitagnachmittag nahm die Crew auf Anweisung der italienischen Küstenwache knapp 100 Menschen in Seenot an Bord der „Nadir“, die zuvor vom Aufklärungsflieger Colibri 2 der Organisation Pilotes Volontaires gemeldet wurden. Diese wurden wenige Stunden später von der italienischen Küstenwache übernommen und nach Lampedusa gebracht.