Hamburg. Der Chor bestreitet einen Teil des Programms beim Plattdeutsch-Tag im Körberhaus. Auch an Kinder ist am 20. April gedacht.

„Wat well de denn bi uns?“ So oder so ähnlich waren die Reaktionen der sangesfreudigen Herren auf das Erscheinen der Akkordeonspielerin. Doch Gabriele Müller musste vor acht Jahren der Sache auf den Grund gehen, konnte nicht sitzenbleiben bei dieser Schifffahrt. „Wieso haben die Fleetenkieker keinen Akkordeonspieler? Könnte ich doch machen.“ Gedacht und längst in die Tat umgesetzt: Müller hat sich in acht Jahren Zugehörigkeit den Status der Chefmusikerin und Chorleiterin des Shanty-Chors aus Bergedorf erarbeitet.

Was die drauf haben und wie tief ihre Leidenschaft für das Plattdeutsche ist, davon kann sich jeder am Sonnabend, 20. April, selbst ein Bild machen. Unter Schirmherrschaft von Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) und organisiert vom Plattdeutschen Rat der Stadt wird der 4. Plattdeutsch-Tag in Hamburg („Platt för de Stadt“) auch in Bergedorf gefeiert. Mehr als 50 Formate umfasst das Gesamtprogramm in der Stadt. Der Bergedorfer Teil wird im Körberhaus durch das Bezirksamt, die Bücherhalle Bergedorf in Kooperation mit dem Verein der Hamburger und die Körber-Stiftung realisiert.

Plattdeutsch-Tag: Fleetenkieker treten im Lichtwarhaus auf

Die Fleetenkieker beschallen im Foyer mit ihren gut 20 Titeln („An de Eck steiht‘n Jung mit‘m Tüddelband“, „Rolling home“, „De Hoffnung“) und ein paar Döntjes von Dieter Wagner als eine der Hauptattraktionen von 13 bis 14.30 Uhr das gesamte Haus. Oder, wie es aus berufenem Munde heißt: „Kumm vörbi, we singt för di!“ Auch ansonsten bietet dieser Tag von 10 bis 14 Uhr Unterhaltsames, Bildendes, Animierendes frei nach dem Bergedorfer Motto „Plattdüütsch för de ganze Familie“.

In der Bücherhalle können plattdeutsche Medien ausgeliehen werden. Von 10.45 bis 11.45 Ihr heißt es dort auch „lesen und spelen op platt“ mit Entertainerin Silke Frakstein. Sie liest Kindern ab fünf Jahren Geschichten vor, parallel dazu dürfen Brettspiele ausprobiert werden. Um den Erhalt seiner Muttersprache bemüht sich zudem der Singer-Songwriter Ove Thomsen. Er liest im Körbersaal von 12 bis 13 Uhr aus seinem ersten Kinderbuch vor, dem plattdeutschen Buch des Jahres 2023 „Regen in‘n Kopp“. Und Erika Garbers vom Bergedorfer Seniorenbeirat berät in Alters- und Sozialfragen op platt im zweiten Obergeschoss. Das komplette Programm findet sich auf koerberhaus.de. Eine Anmeldung zu den Lesungen ist erbeten, der Eintritt aber grundsätzlich frei.

Einem Ehepaar hinterhergelaufen, das wunderbar Platt sprach

Wagner, 81 Jahre alt, erinnert sich noch sehr lebhaft daran, „wie ich in der Alten Holstenstraße als jüngerer Mann einem Ehepaar einige Zeit gefolgt bin, weil die so wunderbar platt geredet haben“. Nicht der Erstkontakt des jungen Dieter mit der Sprache: Die kannte er väterlicherseits schon durch Zufall. Als Dieter Wagner in seiner Kindheit mit dem Papa einmal ins eher ländliche Malente – dort wuchs Wagner senior auf – reiste, begann sein alter Herr plötzlich in allerbestem Platt mit den Einheimischen zu parlieren.

Wagner gehört auch der Plattsnacker-Krink in Lohbrügge an. Dort kommt sogar ein Tscheche regelmäßig zu den Treffen am ersten Montag im Monat. Der gehört mittlerweile ebenfalls zu den Stimmgewaltigen bei den Fleetenkiekern. Wagners Schatz wiederum ist ein einfacher Kollegeblock mit losem Deckblatt, den er stets dabei zu haben scheint. Darin aufgeschrieben wurden von ihm erdachte 100 Kurzgeschichten, die ihm mal so beiläufig einfielen – der Mann lebt eben seine Platt-Leidenschaft.

Wie viele Hamburger noch plattdeutsch sprechen

Bei Gabi Müller entstand diese während der Kindheit: „Ich bin bei alten Leuten groß geworden, bei denen viel Platt geredet wurde“, erinnert sich die 68-Jährige an ihre Zeit bei der Pflegemama. Dort entwickelte sie auch sehr früh schon die Liebe zum Klang des Akkordeons. Nun reist sie als Taktgeberin den Fleetenkiekern viel herum, spielt bis zu 40 Konzerte im Jahr an maritimen und feierlichen Spielorten. „Die Leute hören einfach gern Shanty“, weiß die Oststeinbekerin – die deswegen fest zu der Truppe gehört, weil deren Akkordeonspieler tragischerweise im Jahr 2015 während eines Auftritts tot zusammenbrach.

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Allein in Hamburg können etwa 100.000 Menschen platt sprechen, so lautet die Angabe des Plattdeutschen Rats für Hamburg, der sich seit 2003 um Erhalt und Belange der Regionalsprache bemüht. Gerade im Landgebiet ist die Quote der Plattsnaker sehr hoch, obwohl es dazu keine belastbaren Zahlen gibt. Dass das Körberhaus nun am 20. April quasi überrannt werde, damit rechnet auch Kulturmanagerin Lena Stich vom Bezirksamt nicht, aber: „Es geht ja auch eher darum, Lust auf platt zu machen. Und es kann wirklich jeder kommen. Zuhören reicht ja schon.“