Hamburg (dpa/lno). Was soll mit der Hamburger Köhlbrandbrücke geschehen? Eigentlich wollte der Senat in dieser Woche über einen Ersatz für die marode, aber wichtige Hafen-Verbindung entscheiden. Das ist vom Tisch.

Der rot-grüne Hamburger Senat entscheidet frühestens in der kommenden Woche über die neue Köhlbrandquerung. Entgegen den ursprünglichen Plänen entschied der Senat am Dienstag nicht über eine von der Wirtschaftsbehörde erarbeitete Drucksache zum Ersatz der in die Jahre gekommenen Köhlbrandbrücke. Abgesagt wurde auch die Landespressekonferenz, auf der die Pläne eigentlich hätten vorgestellt werden sollen.

Grund für den Aufschub ist Zwist in der Regierung des Stadtstaates. Nach dpa-Informationen gestaltet sich die sogenannte Behördenabstimmung zwischen der federführenden Wirtschaftsbehörde von Senatorin Melanie Leonhard (SPD) und der Umweltbehörde von Senator Jens Kerstan (Grüne) schwierig.

Die 1974 fertiggestellte und für den Hafen wichtige Brücke wird täglich von rund 38 000 Fahrzeugen genutzt, darunter viele Lastwagen. Sie soll wegen Überlastung und immer neuer Schäden bis 2036 ersetzt werden. Erwartet wurde zuletzt eine Entscheidung für einen Neubau der Brücke, der mit 4,5 bis 5 Milliarden Euro günstiger ausfallen dürfte als die lange vom Senat favorisierte Tunnellösung.

Wer welche Kosten übernimmt, ist bislang unklar. Die Köhlbrandbrücke wurde jedoch bereits 2021 zu einer Bundesstraße aufgewertet und damit der Weg frei gemacht für eine Förderung durch den Bund.

Leonhards Sprecher Martin Helfrich sagte, zunächst müssten letzte Rückmeldungen im Rahmen der Abstimmung der Drucksache eingearbeitet werden, sodass der Senat zügig mit einer sorgfältig abgestimmten Grundlage befasst werden könne. „Die Wirtschaftssenatorin vertritt dabei sowohl das Interesse der Hafenwirtschaft an einer zügig geklärten Perspektive für eine neue Querung als auch das Ziel, allen Beteiligten eine informierte und gründlich vorbereitete Entscheidung zu ermöglichen.“

Dem Vernehmen nach stieß in der Umweltbehörde vor allem die Eile auf, mit der das Milliarden-Projekt einer Ersatzlösung für die marode Köhlbrandbrücke nach jahrelangen Diskussionen nun zur Entscheidung gebracht werden sollte. Aber auch in einzelnen Fragen - etwa zur Höhe des Bauwerks - sieht man noch Abstimmungsbedarf. Kerstan selbst wollte nichts dazu sagen. „Wir äußern uns nicht zu Drucksachen, die sich noch in der internen Behördenabstimmung befinden“, erklärte seine Sprecherin.

In der SPD-Fraktion hält man an einer raschen Senatsentscheidung fest - und den Druck auf den Koalitionspartner aufrecht. „Unsere Erwartungshaltung ist klar: Wir gehen davon aus, dass es zeitnah nach Ostern eine Entscheidung zur Köhlbrandbrücke gibt“, sagte ihr Wirtschaftsexperte Hansjörg Schmidt.

CDU-Landes- und Fraktionschef Dennis Thering wertet den Aufschub der Entscheidung als Desaster für Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und seinen Senat. „Wieder Streit statt Entscheidung, wieder kommt ein für Hamburg wichtiges Infrastrukturprojekt nicht voran“, sagte der Oppositionsführer und äußerte Zweifel an der Handlungsfähigkeit und Verlässlichkeit des Senates.

Das Projekt Köhlbrandquerung werde immer mehr zum Symbol eines rot-grünen Senats, der bei bedeutenden Vorhaben scheitere. Der Wirtschaftssprecher der CDU-Fraktion, Götz Wiese, fügte hinzu: „Mit der Unfähigkeit, eine Lösung für die Köhlbrandquerung vorzulegen, gibt der Senat unseren Hafen im internationalen Wettbewerb der Lächerlichkeit preis.“

Norbert Hackbusch, hafenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, sprach von Politikversagen. „Seit Jahren wird das Thema vom Senat mit höchster Priorität eingestuft, jetzt verhaspelt er sich schon wieder.“ Allen Beteiligten sei klar, dass eine höhere Brücke stärker Witterungseinflüssen ausgesetzt sei. „Diese müssen sowohl für ihre Nutzung als auch ihre Lebensdauer sorgfältig berechnet und dargestellt werden.“, sagte er.

Die AfD ist macht vor allem den grüne Umweltsenator Kerstan für die Verzögerungen verantwortlich, der sich bei wichtigen Verkehrsprojekten immer wieder gegen die SPD auflehne. „Bürgermeister Tschentscher täte gut daran, den Umweltsenator endlich vor die Tür zu setzen. Das ist eine peinliche Posse für Hamburg, die unverantwortlich ist“, sagte der Vorsitzende und verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Dirk Nockemann.

Und auch die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sieht die Glaubwürdigkeit des Senats schwinden. „Statt jetzt auch noch öffentlich über die Höhe einer neuen Brücke zu streiten, sollte dringend Tempo in den Prozess des Neubaus gebracht werden“, forderte sie. „Dieser Senat vernachlässigt den Hafen und die Verkehrsinfrastruktur der Stadt seit langem sträflich, vor allem zulasten der Wirtschaftsverkehre.“

Vor zwei Wochen hatte sich bereits nach einem internen Prüfbericht der Wirtschaftsbehörde ein Brückenneubau als Ersatzlösung abgezeichnet. „Auf Grundlage dieser Untersuchung wird der Senat eine Empfehlung für eine neue Köhlbrandquerung beschließen“, hatte ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde erklärt.

Lange Zeit galt ein Tunnel als quasi beschlossen. Mitte vergangenen Jahres hatte Wirtschaftssenatorin Leonhard jedoch unter anderem aus Kostengründen eine bereits diskutierte Ersatzbrücke wieder ins Spiel gebracht und entsprechende Untersuchungen beauftragt. Eine Sanierung der bestehenden Brücke lehnte sie ab. Die Brücke sei ein „technisch-wirtschaftlicher Totalschaden“.

Unbestätigten Berichten zufolge sollen aus den ursprünglich avisierten 5,3 Milliarden Euro Kosten für einen Tunnel wegen gestiegener Baupreise nun rund 7 Milliarden Euro geworden sein. Eine neue Brücke mit einer Durchfahrtshöhe für Schiffe von mehr als 70 Metern soll dagegen mit 4,5 bis 5 Milliarden Euro zu Buche schlagen, wobei noch rund eine halbe Milliarde Euro für den Abriss der bisherigen rund 20 Meter niedrigeren Brücke hinzukäme.