Immer mehr Hamburger machen sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig. Das Programm der Stadt ist sehr stark gefragt.

Hamburg. Klaus-Dieter Raatz sitzt in der Werkstatt seiner Silberschmiede an der Rothenbaumchaussee. Durch das Fenster des kleinen Ladens gegenüber des Völkerkundemuseums scheint die Nachmittagssonne, in den Glasvitrinen spiegelt sich das Licht auf blank polierten Silberringen und glitzernden Edelsteinen.

Klaus-Dieter Raatz strahlt fast ebenso wie sein Schmuck, er hat sich erst vor gut zwei Monaten mit seinem Atelier selbstständig gemacht und mit Ende Vierzig noch einmal einen neuen Berufsweg eingeschlagen. Der gebürtige Holsteiner ist eigentlich Umweltingenieur und hat sich mit der neuen Aufgabe einen Traum erfüllt.

+++ Auswahl von Programmen für Existenzgründer +++

Zuletzt arbeitete Raatz als Leiter eines Kompostwerkes für die Hamburger Stadtreinigung. Doch die Stelle war befristet, und der Mann mit den grau melierten Haaren entschied sich für einen Neuanfang in einem kreativen Beruf. Der Ingenieur hat den Weg in die Selbstständigkeit seinem Ehrgeiz und seinem persönlichen Engagement zu verdanken, aber auch dem Lawaetz-Programm, das in Hamburg Gründern auf besondere Weise zur Seite steht. "Die Berater bei der Lawaetz-Stiftung haben mein Geschäftskonzept für schlüssig und solide gehalten, an mich geglaubt und mir somit diesen neuen Weg ermöglicht", freut sich Raatz, der mithilfe der Stiftung einen Startkredit erhalten hat. Vor zehn Jahren, im Juni 2002, hat die Stadt Hamburg das Kleinstkreditprogramm für Gründer aufgelegt und war damit Vorreiter in Deutschland. "Ohne das Programm hätte ich wohl kein Geld für meine kleine Schauwerkstatt bekommen", sagt Raatz, denn die Banken und auch die Arbeitsagentur hätten sein Ansinnen, vom Ingenieur zum Schmuckdesigner umzusatteln, nicht unterstützt.

Von der Behörde für Wirtschaft und Arbeit zunächst als Modellprojekt auf den Weg gebracht, gehört das Programm inzwischen zum festen Bestandteil der Hamburger Arbeitsmarktpolitik. "Es stellt eine sinnvolle Ergänzung zu den von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) des Bundes angebotenen Programmen für Existenzgründer dar, die alle über Hausbanken abgewickelt werden müssen", sagt Jochen Kunz-Michel, Leiter des Bereichs Existenzgründung und Mikrofinanzierung bei der Johann-Daniel-Lawaetz-Stiftung. Seit Frühjahr 2011 liegt die Zuständigkeit des Hamburger Kleinstkreditprogramms bei der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), das Geld für die Darlehen kommt von dieser Behörde.

Ansprechpartner ist aber die Lawaetz-Stiftung. Sie steht den Gründerinnen und Gründern im Auftrag der Stadt Hamburg als Beratungseinrichtung zur Verfügung und unterstützt sie auch bei der Antragstellung.

"Das Programm hat sich als Ergänzung der Hamburger Wirtschaftsförderung für diese Zielgruppe sehr bewährt und wird wegen seiner Konditionen gern in Anspruch genommen. Mittlerweile hat die Lawaetz-Stiftung mehr als 2000 Anträge bearbeitet ", sagt Jochen Kunz-Michel von der Stiftung. Die Einrichtung in Ottensen wurde 1986 von der Stadt Hamburg gegründet, um gesellschaftliche Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Armut einzudämmen.

Das Kleinstkreditprogramm richtet sich an Hamburger Existenzgründer, die bestimmte Bedingungen erfüllen sollten: Sie gründen aus der Erwerbslosigkeit oder sind von Arbeitslosigkeit bedroht und haben deshalb keinen Zugang zu Bankkrediten. Fachlich und persönlich müssen sie die Voraussetzungen für eine selbstständige Tätigkeit mitbringen.

Das Darlehen beträgt höchstens 12 500 Euro, bei einem maximalen Kapitalbedarf von 25 000 Euro. Der aktuelle Zinssatz beträgt 5,12 Prozent.

Für Klaus-Dieter Raatz hat sich mit seinem Atelier für Schmuck und Kunsthandwerk nicht nur ein Traum erfüllt - er hat auch entschieden, mit seiner neuen Arbeit nicht nur sich selber zu helfen. "Ich verarbeite ab August künftig nur noch Silber und Edelsteine aus fairem Handel", sagt Raatz. Die Rohstoffe werden in einem nachhaltigen Bergbau ohne Raubbau an der Natur und ohne Einsatz von Umweltgiften gewonnen. Die direkt am Gewinn beteiligten Arbeiter in Bolivien und Brasilien können zu fairen Bedingungen arbeiten und ihren Lebensunterhalt für die Familie ohne Kinderarbeit bestreiten. Auf diese Weise will Raatz etwas von seinem Glück auch mit anderen teilen; dem Glück, endlich wieder eine sinnvolle Aufgabe gefunden zu haben.