Abendblatt-Interview mit Johannes Kahrs (SPD) und Roland Heintze (CDU) über das schwul-lesbische Leben in der Hansestadt und den CSD.

Hamburg. Ein sonniger Nachmittag an der Langen Reihe in St. Georg. Besonders in diesen Tagen sind die bunten Regenbogenflaggen an Balkons, vor Restaurants und in Schaufenstern zu sehen. Am Sonnabend gipfelt die sogenannte Pride-Week am Christopher Street Day in einem Demonstrationszug in Form einer schrillen, schillernden und vor allen Dingen bunten Parade. Die Teilnehmer setzen sich für Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender ein. Die beiden bekennenden homosexuellen Politiker Roland Heintze (CDU-Bürgerschaftsfraktion) und der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs sind an vorderster Front mit dabei. Das Abendblatt lud die beiden Politiker zu Saftschorle und Birnenschmandtorte ins Café Gnosa ein, um mit ihnen über die Situation in Hamburg zu reden.

Hamburger Abendblatt: Herr Kahrs, Sie leben hier in St. Georg und haben in den letzten zehn Minuten diverse Leute im Vorbeigehen gegrüßt. Fühlt man sich wohl in diesem Stadtteil?

Johannes Kahrs :Ja, aber hier in St. Georg ist es normal, dass man sich kennt. Klar ist aber auch, dass es in Hamburg solche und solche Ecken gibt. In anderen Stadtteilen werden beispielsweise Schwule und Lesben nicht so gut aufgenommen wie hier. Grundsätzlich wird hier Toleranz und Weltoffenheit großgeschrieben. Es heißt ja nicht umsonst schon seit dem Mittelalter "Stadtluft macht frei".

Roland Heintze: Hamburg hat sich schon immer überdurchschnittlich als ein besonders liberales, gutes Umfeld zum Leben für Lesben und Schwule gezeigt - egal, wer gerade an der Regierung war.

Und wie ist die Lage gerade jetzt?

Heintze :Ich lobe sehr selten sozialdemokratische Senatoren, aber ich muss sagen, dass Jana Schiedek einen guten Job macht, und das zeigt jedem, dass man akzeptiert wird.

Gibt es immer noch so viel Diskriminierung in Hamburg?

Heintze: Na ja, wir kriegen das ja nicht so richtig mit, weil wir als Politiker bekannt sind, wir uns geoutet haben und in der Regel überdurchschnittlich selbstbewusst sind ...

Kahrs: Das kann man dir nun wirklich nicht absprechen.

Heintze: Wir werden einfach anders wahrgenommen. Aber klar ist, dass heute noch in den Bereichen Schule, im Umfeld von Migranten und leider auch noch am Arbeitsplatz nicht immer alle auf Akzeptanz stoßen.

In dieser Frage scheinen sie sich einig zu sein, auch wenn die beiden Politiker verschiedenen Volksparteien angehören. Beide setzen sich stark für die Belange und die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben ein. Roland Heintze, ehemaliger Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union (LSU), argumentiert klar und pointiert. Johannes Kahrs, Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Schwulen und Lesben, antwortet auf viele Fragen selbstironisch.

Abendblatt: Mit Einführung der "Hamburger Ehe" 1999 ermöglichte die Stadt als erstes Bundesland eine eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Bürger und hat damit eine Vorreiterrolle übernommen. Hat sie die immer noch?

Heintze : Bundespolitisch können wir immer nur Signale geben. Aber egal, wer regiert hat: Es wurde jegliche Chance genutzt, um über die Grenzen Hamburgs hinaus zu zeigen, wofür man steht.

Auch die CDU-Regierung?

Kahrs :Im Vergleich zur CDU auf Bundesebene muss man sagen, dass sie auf Landesebene immer einen Schritt weiter war - allein dadurch, dass Ole von Beust locker mit seiner Einstellung umgegangen ist. Und das färbt natürlich auf seine Mannschaft drum herum ab.

Hat man es nicht in anderen Parteien einfacher, sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einzusetzen, als in der CDU?

Kahrs : Roland hat es nicht einfach - er ist ganz klar in der falschen Partei.

Heintze: Die Partei stimmt schon. Man hat es bei politischen Themen, egal, ob es um Gleichstellung geht oder um Haushaltspolitik, nie einfach. Das ist man als Politiker auch innerhalb der Partei gewohnt. Es ist ja nicht so, dass man bei der schwul-lesbischen Bewegung eng umschlungen im Gleichschritt gehen muss. Nur weil ich schwul oder lesbisch bin, bin ich ja nicht automatisch politisch links.

Kahrs :Das kann man dir nun wirklich nicht vorwerfen.

Heintze :Es geht um Vielfalt und nicht um Uniformität. Deswegen schätze ich eigentlich den CSD, zumindest in seiner bisherigen Form.

Heintze spielt damit auf den CSD-Veranstalter Pride an, der den Mitgliedern der FDP und der CDU nahegelegt hatte, sich zu überlegen, ob die Teilnahme am CSD in diesem Jahr angemessen sei. Grund dafür war die Ablehnung zweier Anträge der Bundestagsfraktionen, in denen es um die Öffnung der Ehe und die Gleichstellung der Lebenspartnerschaften mit der Ehe ging.

Abendblatt : Herr Heintze, Sie antworteten mit einem Brief, in dem Sie dem Veranstalter vorwarfen, sich vor einen parteipolitische Karren spannen zu lassen ...

Heintze :Der CSD ist gemeinnützig. Und da ist es doch nicht im Sinne des Gemeinwohls, zwei bürgerliche Parteien de facto auszuschließen.

Kahrs :Na ja. Wenn man sich die namentliche Abstimmung anschaut, dann haben Hamburger CDU-Politiker wie der Landesvorsitzende Weinberg gegen die Anträge gestimmt. Und das ist ganz klar gegen die Linie, die die CDU in Hamburg vertritt. Verständlich, dass da einige sauer reagieren.

Heintze :Aber der CSD sollte eine Plattform sein, auf der jeder willkommen ist. Alles andere wäre absurd.

Werden Sie trotzdem dabei sein?

Heintze :Natürlich. Und es wird stärkere Diskussionen geben als sonst.

Kahrs :Man muss aber auch konträre Meinungen zulassen. Schließlich handelt es sich um eine politische Demonstration.

Heintze :Umso seltsamer wäre es, wenn das bürgerliche Lager nicht vertreten wäre. Nicht nur Schwule und Lesben besuchen den CSD. Und wenn sich dann beispielsweise ein älteres Ehepaar an unserem Stand mit ihrem Bezirksabgeordneten unterhält, der mehr aussieht wie ihr Sohn als der junge Mann mit der pinkfarbenen Federboa auf dem Wagen - dann kann so etwas Vorurteile abbauen und für mehr Toleranz sorgen.