Gastronomie, Verkehr, Bildung, Kultur und Sport bieten viel - trotzdem gibt es noch Handlungsbedarf über den Bau von Rampen hinaus.

Hamburg. Wie behindertenfreundlich ist Hamburg? Dieser Frage wollte das Abendblatt nachgehen, nachdem in der gestrigen Ausgabe Thomas Klemann sein Schicksal geschildert hatte, der nach einer missglückten Operation seit 15 Jahren im Rollstuhl sitzt.

Rund zehn Prozent der Bevölkerung gelten als schwerbehindert, sprich: Der Grad ihrer Behinderung ist höher als 50 Prozent. "Durch den Landesaktionsplan, mit dem der Senat die Uno-Behindertenkonventionen umsetzen will, bekommen viele Projekte für diese Menschen Rückenwind", sagt Frauke Prenzler aus der Senatskoordinierungsstelle für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Dazu gehören etwa der Umbau der U- und S-Bahnhöfe, ein Kombilohnmodell für Menschen mit Behinderungen, die auf dem Ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen, sowie kulturelle Projekte.

"In Hamburg geht man mit Menschen mit Behinderungen behutsamer und vernünftiger um als anderswo", bestätigt Martin Eckert, Geschäftsführer des Vereins "Leben mit Behinderung". Trotzdem gebe es weiterhin Verbesserungsbedarf. Zu viele Gefahren- oder Baustellen seien schlecht abgesichert und daher gefährlich für Sehbehinderte. Außerdem fehle in Hamburg ein Diagnostisches Zentrum, in dem sich geschultes Fachpersonal um die Patienten kümmere, die wegen ihrer Behinderung häufig nicht in der Lage seien, bei den Untersuchungen mitzuwirken. "Oft können Untersuchungen nur unter Narkose durchgeführt werden", sagt Martin Eckert. In einem entsprechenden Zentrum könnte der Patient von mehreren Ärzten gleichzeitig untersucht werden.

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Gastronomie

"Die Gastronomen tun ihr Möglichstes, um Menschen mit Behinderung gerecht zu werden", sagt Georg Maihöfer vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Bei Neubauten werde auf Barrierefreiheit geachtet, bei lange bestehenden Restaurants etwa sei dies aber architektonisch oft schwierig. Das Hamburger Abendblatt macht den Test und ruft bei fünf Restaurants an, um für eine Gruppe Behinderter einen Tisch zu reservieren. Bei Schweinske in Altona gibt es eine Rampe in den Gastraum und ohne Treppen erreichbare Toiletten. Bei dem Restaurant Turnhalle in St. Georg liegen diese allerdings im Keller. "Wenn Sie wollen, kann aber jemand vom Restaurant tragen helfen", sagt der Mitarbeiter sehr freundlich. Und der blinde Gast? "Dem kann der Kellner gerne die Karte vorlesen."

Bei Maredo am Millerntor gibt es sogar extra Karten mit Blindenschrift und eine Behindertentoilette. Außerdem gibt es einen Bereich mit mehr Platz, damit Rollstuhlfahrer nicht zu eng gedrängt am Tisch sitzen.

Karten mit der sogenannten Brailleschrift gibt es auch im Alt Hamburger Aalspeicher. Ein Beweis für Behindertenfreundlichkeit ist das allein aber nicht. "Sie können von uns nicht erwarten, dass wir hier die Rollis durch die Gegend schieben", antwortet der Mann am Telefon pampig auf die Frage, ob Hilfe möglich sei.

Universität und Schulen

Die Universität Hamburg ist größtenteils barrierefrei. Trotzdem gibt es Ausnahmen wie das Institut für Gebärdensprache. "Dort gibt es zwar jetzt eine Rampe", sagt Janina Kionke, 31, Behinderten-Referentin des Allgemeinen Studierendenausschusses AStA. "Aber die ist eher ein Provisorium." Irgendwo gebe es immer eine Barriere - manchmal auch in der Organisation. "Es wäre wichtig, flexibler auf die subjektiven Gegebenheiten einzugehen", sagt Kionke. Wenn zum Beispiel eine Studentin wegen einer Muskelschwäche schlecht den Stift halten könne, sei es ein komplizierter, langer Weg, um eine Prüfung per Diktiergerät absolvieren zu dürfen.

An Schulen ist es mittlerweile vorgeschrieben, bei Sanierungen oder Neubauten Behinderten-WC einzurichten. Außerdem soll künftig die Hälfte aller Klassenräume barrierefrei zugänglich sein. Schon immer wurden im Bedarfsfall bei Bestandsgebäuden nach Rücksprache mit der Schulbehörde individuelle Lösungen realisiert.

Verkehr

Basierend auf Grund- und Behindertengleichstellungsgesetz schreibt ein Planungshinweis vor, dass drei Prozent der Parkflächen im öffentlichen Raum Behindertenparkplätze sein müssen. Zudem können Menschen mit einem Behindertenparkschein einen personalisierten Parkplatz am Wohnort beantragen.

37 der insgesamt 56 S-Bahn-Stationen im Hamburger Stadtgebiet sind stufenfrei. Bis 2016 sollen es 96 Prozent der Haltestellen sein. "Bei diesem Thema bleiben wir ständig am Ball", sagt Egbert Meyer-Lovis, Sprecher der Deutschen Bahn. Dies gelte auch für Fernzüge. Im U-Bahn-Netz sind derzeit 38 Haltestellen barrierefrei - dies entspricht 43 Prozent. Bis 2015 sollen es gut 66 Prozent sein. "Im Busbereich ist unser Unternehmen hinsichtlich barrierefreiem Zugang bereits vorbildlich", sagt Hochbahnsprecher Christoph Kreienbaum. "Alle unsere Busse sind niederflurig und damit barrierefrei zugänglich."

Kultur und Sport

Fast alle Hamburger Theater haben barrierefreie Zugänge, Plätze für Rollstuhlfahrer, Behinderten-WC und sogar Kopfhöreranlagen für Schwerhörige. Eingeschränkt empfehlenswert sind lediglich das St.-Pauli-Theater und die Kammerspiele. "Bei den Theatern und Kinos, in die man reinkommt, muss man allerdings die Qualität der Plätze betrachten", sagt Silke Dammann, seit 22 Jahren Rollstuhlfahrerin und Mitarbeiterin der Hamburger Landesarbeitsgemeinschaft für Behinderte Menschen. In der Staatsoper sitze man ganz hinten, in der Musikhalle ganz links, im Othmarschener Kino in der ersten Reihe. "Oft muss man sich entscheiden zwischen Opernglas oder Genickstarre." Auch die Auswahl an Restaurants und Cafés, die sie besuchen könne, sei sehr begrenzt. In den meisten gebe es keine Behinderten-WC. "Und da es auch viel zu wenige öffentliche WC für Behinderte gibt, kann man nicht einmal unterwegs eine Toiletten aufsuchen", kritisiert Dammann.

Die Stadien von HSV und St. Pauli verfügen dagegen über leicht erreichbare Behinderten-WC, barrierefreie Zugänge und Sitze für Geh- und Sehbehinderte. Beim HSV werden sogar Untertitel für Hörgeschädigte auf den Leinwänden eingeblendet.