Bei der Commerzbank-Sparte sind deswegen 250 Arbeitsplätze in Hamburg bedroht. Reeder kritisieren die überraschende Entscheidung

Hamburg. Commerzbank-Chef Martin Blessing reißt das Steuer in schwerer See herum: Noch im März erklärte er die Schiffsfinanzierung zum Kerngeschäft der Bank. Jetzt wird der in Hamburg angesiedelte Bereich vollständig abgewickelt, ebenso wie die in der Tochtergesellschaft Eurohypo gebündelte Immobilienfinanzierung für gewerbliche Kunden. Beide Sparten werden nun kein Neugeschäft mehr machen, die bestehenden Kredite werden in die interne Abbaubank der Commerzbank umgebucht.

Der Vorstand habe sich die Entscheidung "nicht leicht gemacht", so Blessing im Intranet der Bank. Aber: "Ein rasches Ende der Euro-Krise ist nicht absehbar. Daher müssen wir die Risiken weiter konsequent reduzieren und uns auf das Geschäft konzentrieren, das nachhaltig profitabel ist."

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Im gesamten Bereich Schiffsfinanzierung, dessen Kern die Deutsche Schiffsbank bis zu ihrer Verschmelzung mit der Commerzbank im vergangenen Monat bildete, sind etwa 250 Beschäftigte tätig, bis auf wenige Ausnahmen mit Sitz in Hamburg.

Ein Teil des Personals wird weiter gebraucht werden, um den Kreditbestand bis zur Fälligkeit der Darlehen zu betreuen. Außerdem wird es zu den Aufgaben des zuständigen Bereichsvorstands Stefan Otto gehören, möglichst viele Mitarbeiter in anderen Sparten der Bank unterzubringen.

Hintergrund der in Frankfurt beschlossenen Kursänderung sei nicht nur die Ungewissheit durch die Euro-Schuldenkrise, sondern auch die Lage im Seetransport. "Wir gehen davon aus, dass die aktuelle Krise in der Schifffahrt noch länger anhalten wird", sagte Otto dem Abendblatt. "In einer Zeit, in der Eigenkapital in einer Bank ein teures Gut ist, muss man darüber nachdenken, ob es sich nicht in einer anderen Sparte der Bank rentabler einsetzen lässt."

Mit einem Kreditvolumen von etwa 20 Milliarden Euro ist die Commerzbank der zweitgrößte deutsche Schiffsfinanzierer hinter der HSH Nordbank und der drittgrößte weltweit hinter der norwegischen DnB NOR. Bereits im März hatte Blessing jedoch ein Schrumpfen des Geschäfts angekündigt. Mit einem Volumen von zehn Milliarden bis 15 Milliarden Euro in der Schiffsfinanzierung "fühlen wir uns wohl", sagte er.

Diese Einschätzung hatte nicht lange Bestand - und eine baldige Aufhellung der Perspektiven für die Schifffahrt erwartet Blessing offenbar nicht. Der Boom im Welthandel bis 2008 hatte zu einer Auftragsflut für neue Containerschiffe und schließlich zu erheblichen Überkapazitäten geführt, die Gewinne der Reeder brachen ein.

"Etwa 50 Prozent unseres Geschäfts entfallen auf Kunden aus Deutschland", sagte Otto. "In unserem Portfolio haben wir zu rund einem Drittel Containerschiffe." Ungefähr ein Viertel des Volumens machen Tanker aus, rund 20 Prozent betreffen Massengutschiffe. Den Rest teilen sich unter anderem Kreuzfahrtschiffe und der Offshore-Bereich. Nicht alle diese Marktsegmente stecken in der Krise. "Schwierig ist der Markt vor allem für kleinere Containerfrachter unterhalb der Panamax-Klasse, wie etwa Feederschiffe", erklärte Otto.

Vor diesem Hintergrund fährt auch der Weltmarktführer in der Schiffsfinanzierung das Geschäft deutlich zurück: Die HSH Nordbank ist durch Auflagen der EU gezwungen, diesen Bereich auf 15 Milliarden Euro zu reduzieren, was einschließlich der Kredite in der Abbaubank der HSH ungefähr einer Halbierung entspricht.

Neue Wettbewerber stoßen aber nur zögerlich in die Lücken. "Chinesische und koreanische Banken werden zwar in der Schiffsfinanzierung aktiver, wir sehen das aber bisher nur in Einzelfällen", so Otto. "Weil auch andere große Wettbewerber unter anderem wegen der verschärften Eigenkapitalanforderungen und gestiegener Liquiditätskosten ihr Geschäft zurückfahren, wird es künftig weniger Finanzierungen zu deutlich höheren Preisen geben."

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) zeigte sich über den Schritt der Commerzbank überrascht. "Die Entscheidung zum Ausstieg aus der Schiffsfinanzierung darf nicht bedeuten, dass sich die Commerzbank ihren Kunden aus der Schifffahrt und dem deutschen Schifffahrtsstandort nicht mehr verpflichtet fühlt", sagte Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des VDR. "Eine mit Steuergeldern unterstützte und im Teilbesitz des Staates befindliche Bank kann sich nicht von heute auf morgen aus einem für den Standort Deutschland strategisch wichtigen Geschäftsbereich verabschieden."

Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) äußerte sich in ähnlichem Sinne zu dem Beschluss der Commerzbank, die Sparte abzuwickeln. "Vor dem Hintergrund des konstruktiven Handelns der Banken und allen anderen Beteiligten, die es in den letzten Jahren geschafft haben, umfangreiche Insolvenzen und Schiffsverwertungen zu vermeiden, hoffe ich, dass der Abbau über einen Zeitraum erfolgt, der ein Überwinden der derzeitigen Schifffahrtskrise erlaubt", sagte Horch.

Überraschend kommt auch das Aus für die Eurohypo mit aktuell rund 1100 Beschäftigten, davon knapp 20 in Hamburg. Während nach bisherigen Plänen die gewerbliche Immobilienfinanzierung zumindest in wichtigen Märkten wie Deutschland und Frankreich erhalten bleiben sollte, wird nun auch dieses Geschäft mit einem Kreditvolumen von insgesamt knapp 80 Milliarden Euro komplett eingestellt.