Das Transparenzgesetz ist ein konsequenter Schritt - trotz Risiken und Nebenwirkungen

Es ist ein langer Weg vom alten Obrigkeitsstaat, in dem die Bürger nur als Petenten, als Bittsteller vorkamen, hin zur modernen Republik. Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die öffentliche Verwaltung nicht Selbstzweck ist, sondern im besten Sinne Dienstleister für mündige Bürger. Das ist zumindest das Selbstverständnis einer entwickelten Zivilgesellschaft, auch wenn man beim Besuch in Amtsstuben gelegentlich noch den Eindruck gewinnen kann, dass die Zeit stehen geblieben ist.

Lebendige Demokratie orientiert sich an den Prinzipien der Beteiligung möglichst aller, der Offenheit und Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns. So gesehen ist ein Transparenzgesetz, wie es die Hamburgische Bürgerschaft heute mit den Stimmen aller fünf Fraktionen beschließen wird, ein konsequenter Schritt. Im Grundsatz ist die Offenlegung behördlicher Dokumente, Akten und Verträge - unter Wahrung des Datenschutzes sowie des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses - ein wichtiger Beitrag zu mehr Transparenz. Hamburg macht sich ein Stück weit zur gläsernen Stadt.

Der Mut der Beteiligten ist allerdings zu bewundern, denn Risiken und Nebenwirkungen lassen sich derzeit noch kaum ermessen. Da ist zum Beispiel das nun gesetzlich vorgesehene Recht der Stadt, innerhalb von 30 Tagen von einem mit einem Privatunternehmen geschlossenen und ins Netz gestellten Vertrag zurückzutreten oder nachzuverhandeln. Motto: Wenn die aktive und interessierte Netzgemeinde massive Bedenken erhebt, lassen wir die Sache ganz oder fragen nach, ob es auch anders geht. Welcher Senat würde aber seine eigene Verhandlungskompetenz derart entwerten? Und welches Unternehmen will sich auf ein solch vages Unterfangen einlassen? Diese Regelung zeugt entweder von grenzenloser Blauäugigkeit oder aber ist pure Augenwischerei.

Dann: Vertraulichkeit ist ein fester Bestandteil von Geschäftsbeziehungen, nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Politik. Selbstverständlich muss sich ein Straßenbauunternehmer darauf verlassen können, dass Konkurrenten aus der Veröffentlichung eines mit der Stadt geschlossenen Vertrages etwa über die Asphaltierung einer Straße nicht Nutzen ziehen können. Das Gesetz sieht dazu zum Teil sehr komplizierte Regeln vor. Ob sie praktikabel sind, muss sich erweisen.

Unabhängig von diesen Unwägbarkeiten, die auch später noch korrigiert werden können, gilt festzuhalten: Hamburg nimmt beim zentralen Zukunftsthema der Partizipation mittlerweile unter den Bundesländern eine Spitzenstellung ein. Bürgerentscheide in den Bezirken und Volkentscheide auf Landesebene sind zwei etablierte Elemente der direkten Demokratie. Es reicht nicht mehr, alle vier Jahre die Bürgerschaft und alle fünf die sieben Bezirksversammlungen neu zu wählen.

Das Beispiel des Transparenzgesetzes selbst ist ein Beleg für die Notwendigkeit plebiszitärer Elemente der Demokratie. Ohne die Volksinitiative "Transparenz schafft Vertrauen" hätte es dieses Gesetz nicht gegeben. Es waren engagierte Bürger, die den Anstoß gaben, die parlamentarische Demokratie hat den Ball aufgenommen. Umfassenden Einblick in die Verwaltung zu erhalten, die Chance, direkt Einfluss zu nehmen, kann ein Beitrag gegen die Politikverdrossenheit sein.

Häufig nutzen aber nur die gut ausgebildeten oder aus professionellen Gründen interessierten Menschen die Angebote zu umfassender Information. Ob das Transparenzgesetz zu einem echten Erfolg im Sinne breiter Teilhabe wird, hängt in starkem Maße von Aufklärung ab. Hier bleibt für die Politik noch viel zu tun.

Es ist allerdings ein krasser Kunstfehler, dass das Gesetz in kürzester Zeit durch die Bürgerschaft gebracht wird und damit dem eigenen Anspruch zuwiderläuft: Transparenz und möglichst weitreichende Partizipation vor der Entscheidung.