Die Koalition hat Mühe, sich über die Runden zu retten

Was routinemäßige Arbeitsgespräche sein sollten, verströmt bei der Koalition die Aura internationaler Friedenskonferenzen. Die Kontrahenten, die eigentlich gemeinsam Europas wichtigste Wirtschaftsnation lenken sollten, verheddern sich immer wieder zwischen Koalitionsvertrag, Parteiprogrammen, Klientelpolitik und Animositäten. Alte Beschlüsse werden infrage gestellt, neue Forderungen erhoben. Sie erwecken allzu oft den Eindruck, dass bei ihnen Eigennutz vor dem Wohl des Landes rangiert. Und so werden immer wieder Dreiergespräche der Parteivorsitzenden oder Koalitionsgipfel zu Krisentreffen.

So auch gestern wieder, als es darum ging, wenigstens in groben Zügen das Regierungshandeln für den Rest der Legislaturperiode zu umreißen. Einige Streitpunkte wie Mindestlohn und Frauenquote wurden dabei vorerst ausgeklammert, längst Beschlossenes wie Betreuungsgeld und private Pflegevorsorge noch einmal bestätigt. Alle Kraft solle nun auf die Euro-Rettung und die Energiewende konzentriert werden. Ja, sogar eine Neuauflage des Dreierbündnisses nach der Wahl 2013 soll ins Auge gefasst worden sein.

Tatsächlich wären noch Konflikte für mehrere Legislaturperioden übrig - oder werden gegebenenfalls gefunden. Darin haben die Koalitionäre eine gewisse Meisterschaft entwickelt. Aber wollen sie sich das wirklich selbst, dem Land und dessen Menschen antun? Vermutlich nicht. Einmal davon abgesehen, dass das Wahlergebnis mehr als ein Jahr vor der Abstimmung schwer vorhersehbar ist, streckt die FDP in Gestalt ihres kommenden Mannes Christian Lindner bereits die Fühler Richtung sozialliberaler Konstellationen aus, freut sich die CSU auf nichts mehr, als die liberalen Quälgeister endlich loszuwerden, und ist es der Kanzlerin schließlich egal, wer unter ihr mitspielen darf.

Den Eindruck von Harmonie werden diese Koalitionäre in ihrer Endphase nicht mehr vermitteln können, eher Endzeitstimmung. Tatsächlich wäre es ja auch schon ein gewaltiger Fortschritt, wenn bis zum Ausbrechen des Wahlkampfes wenigstens noch ein gewisses Maß an Professionalität gewahrt werden könnte.